Biochemiker der Universität Jena entwickeln neues Verfahren zur Suche nach Biomarkern im Blut

„Blut ist ein ganz besonderer Saft“ wusste bereits Goethe, als er Faust seinen Pakt mit dem Teufel mit einer Unterschrift aus Blut besiegeln ließ. Doch Blut ist nicht nur unser „Lebenselixier“, indem es lebensnotwendige Nährstoffe und Sauerstoff in alle Organe und Gewebe transportiert oder als Ort der Immunabwehr eindringende Krankheitserreger unschädlich macht. „Es ist auch für die Labormedizin ein ,ganz besonderer Saft'“, weiß PD Dr. Heidrun Rhode vom Institut für Biochemie des Universitätsklinikums Jena (UKJ). „Denn im Blut lassen sich prinzipiell sämtliche Moleküle aufspüren, die in unserem Organismus vorkommen“, erklärt die Biochemikerin.

Da das auch solche Moleküle sind, die im Verlauf von Krankheiten produziert und abgegeben werden, sollte sich im Blut von Patienten nahezu jede Krankheit diagnostizieren lassen. „Doch das Spektrum der Laborwerte, die der Arzt heute mit einer Blutabnahme erfassen kann, ist sehr begrenzt“, so Dr. Rhode. Der Grund: die bisherigen Analyse-Methoden messen nur schon bekannte Moleküle. „Neue, bisher unbekannte Substanzen sind davon ausgeschlossen“, macht die Wissenschaftlerin der Jenaer Universität das Problem deutlich. „Aber gerade die könnten als Biomarker interessant sein.“

Hier setzt ein neues Suchverfahren an, das die Forscher um Dr. Rhode gemeinsam mit der Zentralwerkstatt der Medizinischen Fakultät der Universität Jena und der CyBio AG Jena entwickelt haben. „Wir trennen zunächst von der entnommenen Blutprobe die festen Bestandteile – also sämtliche Zellen, wie z. B. die roten Blutkörperchen – von dem flüssigen Rest“, erläutert Dr. Rhode. Das zurückbleibende Serum wird anschließend mit Hilfe einer neuen automatischen Analyseplattform in viele tausend Fraktionen von jeweils 100 Mikroliter aufgeteilt, in denen die gelösten Moleküle nach Größe und Ladung getrennt vorliegen. Anschließend kommen zwei Massenspektrometer zum Einsatz, um deren Inhaltsstoffe aufzuklären. Die selbstentwickelte Auswertesoftware ermöglicht es schließlich, diese Inhaltsstoffe auch zu quantifizieren.

Auf diese Weise entsteht eine Art „Schnappschuss“, der sämtliche Inhaltsstoffe der Blutprobe zu einem bestimmten Zeitpunkt dokumentiert. „Auch wenn wir die Funktion und Herkunft der so gefundenen Moleküle oft erst einmal gar nicht kennen, lässt sich aus dem erhaltenen Muster vieles ablesen“, erläutert Dr. Rhode. Vergleicht man z. B. derartige Momentaufnahmen von Blutproben eines Patienten, der eine bestimmte Krankheit hat, mit der Probe eines Gesunden, lassen sich so genau die Moleküle aufspüren, die im Verlauf der Krankheit auftreten oder sich in ihrer Konzentration ändern. Solche Biomarker könnten künftig die Grundlage für eine Frühdiagnose vieler Krankheiten sein und dadurch günstigere Heilungschancen oder auch neue Therapieansätze eröffnen.

Diesen ganzheitlichen Analyseansatz verfolgen die Jenaer Forscher jedoch nicht allein. Doch anders als die meisten ihrer Kollegen weltweit, nehmen sie den „Schnappschuss“ im Patientenblut zunächst an intakten und funktionsfähigen Eiweißen auf, ehe diese für die Analyse in Bruchstücke zerlegt werden. Andere Forschergruppen dagegen zerlegen die Eiweiße sofort nach der Blutentnahme. Diese Art des „Schnappschusses“ führt jedoch zu gravierenden Informationsverlusten, z. B. über die ursprüngliche biologische Aktivität, die Größe der Eiweiße oder die Komplexe, die sie in ihrer natürlichen Umgebung gebildet haben. „All dies könnte aber bereits ,Biomarker' sein“, erklärt Dr. Rhode den Nachteil derartiger Analysen.

Die ersten Praxistests des eigenen Verfahrens sind indes erfolgreich angelaufen. So konnten die Forscher um Dr. Rhode in Blutproben beinahe 2 000 verschiedene Eiweiße aufspüren. „Für viele davon war gänzlich unbekannt, dass sie im Serum vorkommen“ freut sich die Biochemikerin. Selbst neueste Lehrbücher gehen bisher nur von ca. 20 Haupteiweißen im Blut und einigen Hundert in geringerer Konzentration aus. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Kliniken und Einrichtungen des UKJ und anderer Krankenhäuser wenden die Forscher um Dr. Rhode ihr Verfahren derzeit z. B. darauf an, in Patientenblut Biomarker für verschiedene erworbene und angeborene Nierenerkrankungen oder schwere entzündliche Reaktionen ausfindig zu machen. Neben Eiweißen lassen sich prinzipiell auch alle anderen Bestandteile des Blutserums von einem solchen „Schnappschuss“ erfassen. Außerdem lässt sich die Methode auch auf Zellen und Gewebe anwenden und könnte so zum besseren Verständnis zellulärer Vorgänge beitragen. Da die kleine Arbeitsgruppe bisher gar nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen kann, „suchen wir dringend Kooperationspartner“, so Dr. Rhode.

Kontakt:
PD Dr. Heidrun Rhode
Institut für Biochemie I der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Nonnenplan 2, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 938620 oder -56
E-Mail: heidrun.rhode[at]mti.uni-jena.de

Media Contact

Dr. Ute Schönfelder idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de

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