Erster Schritt zum Reagenzglas-Nashorn

Erstmals weltweit haben Wissenschaftler des Berliner Leibniz-Institutes für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) vitale Eizellen von einem Nashorn gewonnen. Sogar eine Reagenzglasbefruchtung gelang, allerdings teilten sich die Zellen danach nicht. Dennoch ist das Ergebnis ein Durchbruch für die Reproduktionsexperten des IZW. Veterinärmediziner Dr. Robert Hermes erläutert: „Bislang hat es noch niemand geschafft, lebende Eizellen aus einem Nashorn abzusaugen.“

Der Erfolg, erzielt in einem australischen Zoo, öffne jetzt die Tür zur In-Vitro-Fertilisation (IVF). „Diese Methode ist für manche Nashorn-Unterarten die einzige Möglichkeit, die genetische Vielfalt zu erhalten und sie vor dem Aussterben zu bewahren“, sagt Hermes. Der Reproduktionsexperte weiter: „Da unsere Methode sehr zuverlässig viele Eizellen liefert, sind die nächsten Schritte jetzt Laborexperimente, um die IVF so weit zu bringen, dass wir Embryonen erhalten und diese dann potenziellen Muttertieren einpflanzen können.“

Schlüssel des Erfolgs ist ein neuer Zugang zu den Eierstöcken. Standardmethode bei Nutztieren ist es, mit einer Hohlnadel das Scheidendach zu durchstoßen, um an die Ovarien zu gelangen und dort Eizellen abzusaugen. Auf Grund der außergewöhnlichen Länge und verwinkelten Lage der Eierstöcke beim Nashorn war ein solch einfacher Zugang nicht möglich. Die IZW-Wissenschaftler unter der Leitung von Dr. Thomas Hildebrandt ersannen daher ein neuartiges Gerät, das ihnen ihr Kooperationspartner, die Chirurgiemechanik-Firma Schnorrenberg (Berlin), baute. Herzstück ist eine mehr als einen Meter lange biegsame Punktionskanüle, die an einem Ultraschallkopf befestigt ist.

Ultraschall-Untersuchungen sind Routine für das dreiköpfige Experten-Team, zu dem neben Hildebrandt und Hermes auch Dr. Frank Göritz vom IZW gehört. Die Sonografie erfolgt dabei über den Enddarm. „Unsere Hohlnadel ist so konstruiert, dass sie ins Ultraschallfeld geschoben werden kann“, berichtet Hermes. „Haben wir die Eierstöcke auf unserem Bildschirm, punktieren wir den Darm, schieben die Nadel an die Ovarien, punktieren die flüssigkeitsgefüllten Follikel und saugen die Eizellen mit der Follikelflüssigkeit durch die winzige Nadelspitze und die lange Kanüle ab.“

Ist das nicht riskant für die Tiere? „Wir halten das Infektionsrisiko durch die Operationsvorbereitungen gering“, sagt Hermes. Hierbei helfe auch die Anatomie der Tiere. Überdies seien bisherige Methoden zur Eizellgewinnung durch die notwendigen langwierigen Narkosen eher riskanter als das jetzt entwickelte Verfahren. Die erste erfolgreiche Gewinnung von Eizellen gelang den Wissenschaftlern kürzlich im Western Plains Zoo in Dubbo, Australien. Mit Unterstützung der dortigen Tierärzte Benn Bryant und Tim Portas entnahmen sie die Zellen einem Spitzmaulnashorn, das bereits unfruchtbar geworden war.

Arbeitsgruppenleiter Hildebrandt: „Unsere Methode lässt sich aber prinzipiell auf alle Nashornarten und -unterarten anwenden.“ Das sei insbesondere interessant für jene Rhinozeros-Kühe, die auf natürlichem Weg keine Kälber mehr gebären können. Denn von ihnen ließen sich per In-Vitro-Fertilisation Embryonen gewinnen, die dann von „Leihmüttern“ ausgetragen würden. „Durch IVF könnten wir die genetische Vielfalt der Populationen erhöhen und womöglich auch das akut bedrohte Nördliche Breitmaulnashorn vor dem Aussterben bewahren“, sagt Hermes.

Ansprechpartner: Dr. Robert Hermes, Tel.: 030 / 5168-604 (hermes@izwberlin.de)

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Josef Zens Forschungsverbund Berlin e.V.

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