EPO wirkt bei Schizophrenie

Die kognitiven Leistungen der Patienten verbesserten sich erheblich, nachdem sie über drei Monate einmal wöchentlich mit EPO behandelt worden waren. Die Studie wurde in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Molecular Psychiatry“ (Nature Publishing Group) veröffentlicht.

Schizophrenie ist eine der schwersten psychiatrischen Erkrankungen überhaupt. Weltweit sind ungefähr ein Prozent der Bevölkerung von Schizophrenie betroffen. Patienten mit Schizophrenie leiden häufig unter Verfolgungswahn, Halluzinationen, Identitätsverlust, sozialem Rückzug und einem Verlust kognitiver Fähigkeiten. Letztere machen sich vor allem bemerkbar durch Aufmerksamkeitsstörungen, Probleme mit dem Kurz- und Langzeitgedächtnis sowie dem Unvermögen, vorausschauend zu planen und alltägliche Abläufe zu strukturieren. Der Verlust dieser zuvor vorhandenen kognitiven Fähigkeiten weist darauf hin, dass Schizophrenie zumindest teilweise auf den Abbau bzw. Verlust von Nervenzellen zurückzuführen ist – ein Prozess, der in der Fachwelt als Neurodegeneration bezeichnet wird.

Um diesem Nervenzell-Abbau entgegen zu wirken, haben Hannelore Ehrenreich (MPI für Experimentelle Medizin und CMPB) und ihre Kollegen aus Göttingen, Kiel, Homburg, Köln und Marburg eine zweijährige Multicenter-Studie durchgeführt, in der sie chronisch schizophrene Patienten drei Monate lang einmal wöchentlich mit EPO behandelten und ihre kognitiven Leistungen regelmäßig mit Hilfe neuropsychologischer Tests überprüften. Das durch zahlreiche Dopingfälle vor allem im Profi-Radsport bekannt gewordene Hormon regt nicht nur die Bildung roter Blutkörperchen an, sondern hat auch eine Schutzfunktion für Nervenzellen. Wie man aus Studien mit Schlaganfall-Patienten weiß, unterstützt EPO das Überleben existierender Nervenzellen und regt gleichzeitig die Entstehung neuer Neurone und Synapsen (Schaltstellen zwischen den Neuronen) an.

Diese Schutzfunktion von EPO scheint vor allem die kognitiven Leistungen der Patienten zu verbessern. Denn im Vergleich zu Patienten, die im gleichen Zeitraum ein Placebo erhalten hatten, schnitten diese Personen vor allem in jenen Tests signifikant besser ab, die genau die kognitiven Leistungen testen, deren Störung es Schizophrenie-Patienten so schwierig machen, ihren Alltag zu planen und zu strukturieren. Alle anderen für Schizophrenie typischen Symptome veränderten sich durch die Medikation mit EPO nicht, was für die Forscher weitere Rückschlüsse auf die neurologischen Grundlagen von Schizophrenie zulässt. Ehrenreich und Kollegen hoffen, mit dieser Studie neue Behandlungsstrategien anzustoßen.

EPO oder verwandte Substanzen könnten zusätzlich zu antipsychotischen Medikamenten speziell für die Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten eingesetzt werden, zumal die Nebenwirkungen nachweislich gering sind. „Statt gesunde Sportler grundlos zu immer besseren Leistungen zu treiben, sollte man EPO lieber als potentielles „Hirn-Doping“ testen, das den Menschen hilft, die es tatsächlich brauchen,“ so Ehrenreich zu den neuen Erkenntnissen.

Originalveröffentlichung:
Ehrenreich H, Hinze-Selch D, Stawicki S, Aust C, Knolle-Veentjer S, Wilms S, Heinz G, Erdag S, Jahn H, Degner D, Ritzen M, Mohr A, Wagner M, Schneider U, Bohn M, Huber M, Czernik A, Pollmächter T, Maier W, Sirén A-L, Kosterkötter J, Falkai P, Rüther E, Aldenhoff JB, Krampe H (2006). Improvement of cognitive functions in chronic schizophrenic patients by recombinant human erythropoietin, Molecular Psychiatry, 12. Oktober 2006.

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Dr. Kerstin Mauth idw

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