Umweltschonende Verfahren der Saatgutbehandlung auf dem Vormarsch

Gesundes Saatgut ermöglicht unseren Kulturpflanzen einen gesunden Start in Leben. Saatgutbehandlung, im Volksmund Beizen genannt, ist daher ein sehr altes, wichtiges Instrument des Pflanzenschutzes. Viele Erreger (Bakterien, Pilze) schlummern verborgen im oder am Samen, die Krankheiten brechen dann auf dem Feld aus. Um diese Erreger am Samen abzutöten, kommen bei der Beizung meist chemische Pflanzenschutzmittel zum Einsatz.

Wesentlich umweltschonender sind jedoch physikalische Methoden oder biologische Mittel, die beispielsweise die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen stärken. In der Vergangenheit war wenig bekannt, wie es um die Wirksamkeit dieser Verfahren bestellt ist. Die aktuellen Forschungsergebnisse, die auf der 55. Deutschen Pflanzenschutztagung vom 25.-28. September in Göttingen vorgestellt werden, lassen aufhorchen. Demnach stellen die Behandlung mit niederenergetischen Elektronen, optimierte Feuchtheißluftverfahren und Biopräparate wirksame Alternativen zur Bekämpfung von Samenkrankheiten dar. Einsatzbereiche sind sowohl die großen Getreidekulturen als auch viele kleinflächige Gemüse- und Sonderkulturen.

So untersuchte die Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft die Wirtschaftlichkeit der Elektronen-Behandlung im Vergleich zur chemischen Beizung in Winterweizen und Wintergerste. Die e-Behandlung führte nicht zu Nachteilen beim Ertrag. Auch gegen Krankheiten wie z. B. Mykotoxin bildende Fusarium-Arten, bei denen die Elektronenbehandlung nicht immer greift, musste im Vergleich zur chemischen Variante während der Vegetationszeit nicht häufiger behandelt werden. Gemeinsam mit dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Rheinland Pfalz testeten Wissenschaftler der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA), wie gut die Elektronenbehandlung gegen verschiedene Schaderreger in Heil- und Gewürzpflanzen (Umbelliferae-Arten) wirksam ist. Die Ergebnisse zeigen eine gute Wirksamkeit gegen Pseudomonas syringae und P.coriandricola an Koriander.

Besondere Bedeutung kommt den umweltschonenden Beizverfahren bei der Produktion von Saatgut für den ökologischen Gemüseanbau zu, zumal hier seit 2004 kein konventionell erzeugtes Saatgut mehr eingesetzt werden darf. Im Rahmen des EU-Projektes „STOVE“ wurde an der BBA die Wirksamkeit physikalischer Behandlungsmethoden, biologischer Mittel sowie von Methodenkombinationen gegen Pathogene der Möhre (Alternaria radicina und A. dauci) und gegen Phoma valerianella in Feldsalat getestet. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik konnte die Elektronenbehandlung für Möhrensaatgut optimiert werden, so dass sich bei einer Steigerung der für die Eindringtiefe der Elektronen verantwortlichen Beschleunigungsspannung der Anteil gesunder Samen stark erhöhte.

Im gleichen Projekt wurden Heißwasser- und Feuchtheißluft-Verfahren sowie Mittel auf der Basis von Mikroorganismen (z.B. Pseudomonaden) und zur Pflanzenstärkung untersucht. Demnach stellen besonders die physikalischen Verfahren eine praktikable Alternative zur chemischen Beizung dar, vorausgesetzt, die Anwendung ist kulturspezifisch optimiert. So wurde bei den Feuchtheißluftverfahren durch moderne Technologien eine völlig neue Qualität erreicht, denn heutzutage können sämtliche Parameter wie Temperatur, Behandlungszeit und Luftfeuchte automatisch gesteuert und kontrolliert werden. Für die Getreidekulturen wurde in Schweden unter dem Namen ThermoSeed® ein praxisreifes Verfahren entwickelt.

Noch nicht ganz so weit ist man bei den natürlichen Systemen, bei denen z. B. Pflanzenstärkungsmittel zum Einsatz kommen. Hier muss weiterhin Forschungsarbeit geleistet werden, um den Landwirten praxisrelevante Lösungen zu unterbreiten. Viel versprechend sind die Ergebnisse von Phytomedizinern der Humboldt-Universität Berlin. In Zusammenarbeit mit der Biologischen Bundesanstalt haben sie im Rahmen eines Projektes im Bundesprogramm Ökologischer Landbau mehrere Pflanzenstärkungsmittel gegen den samenbürtigen Schaderreger Septoria nodorum bei zwei unterschiedlich hoch infizierten Winterweizensorten eingesetzt. Drei der Mittel (Lebermooser, Milsana flüssig und Tillecur) erreichten im Klimakammerversuch einen Wirkungsgrad von 70 – 100 %.

Mitteilungen der Biologischen Bundesanstalt, Band 400, 2006, 496 S. (Tagungsband):
Vortrag Nr. 27-7 am 27.9.06, S. 331
Poster Nr. 002, S. 105
Poster Nr. 042, S. 146
Poster Nr. 200 – 202, S. 339/340
Weitere Beispiele im Tagungsband:
Poster 001, S. 104
Poster 199, S. 338
Vortrag 27-8 am 27.9.06, S. 332
Hintergrundinfo zur Elektronenbehandlung:
Elektronen dringen gleichmäßig und an allen Stellen des Samens in die äußere Schale ein. Durch die damit angeregten physikalischen, chemischen und biologischen Prozesse werden die Krankheitserreger, die auf bzw. unmittelbar unter der Samenschale leben, abgetötet. Die Keimfähigkeit der Samen wird nicht beeinträchtigt. Eine erste mobile serienreife Praxisanlage kann stündlich bis zu 30 Tonnen Getreidesaatgut mit niederenergetischen Elektronen behandeln (e-ventus®).

Media Contact

Dr. Gerlinde Nachtigall idw

Weitere Informationen:

http://www.pflanzenschutztagung.de

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