Cholesterin schärft Immunsystem gegen Erreger der Magenschleimhautentzündung

Helicobacter pylori/ infiziert Magenzellen. Die Bakterien nehmen aus der Zellmembran Cholesterin auf, das sie chemisch verändern. Auf diese Weise entgehen sie einer Reaktion des Immunsystems. Bild: Volker Brinkmann, MPI für Infektionsbiologie

Cholesterin stimuliert die Immunantwort gegen das Bakterium Helicobacter pylori, das die Magenschleimhautentzündung auslöst. Wie Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin und Kooperationspartner herausgefunden hat, sorgt das Lipids dafür, dass Antigen präsentierende Zellen, eine wichtige Schaltstelle des Immunsystems, die Abwehr des Körpers sehr effizient alarmieren. Doch H. pylori weicht der Immunantwort aus, indem es das Cholesterin leicht modifiziert und sich so vor dem Immunsystem tarnt. Die Forscher suchen nun ein Antibiotikum, das die Bakterien genau daran hindert. (Nature Medicine, 3. September 2006)

Helicobacter pylori braucht Cholesterin – es kann den Stoff selber nicht herstellen und saugt ihn aus den Membranen der Magenschleimhautzellen, wandelt den größten Teil leicht ab und baut die so veränderte Form in seine Zellhülle ein. Im Zuge der Infektion wird die Magenschleimhaut in vielen Fällen so geschädigt, dass sie von Geschwüren und schlimmstenfalls von Krebs befallen wird. Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung trägt das Bakterium in sich – Krankheitssymptome treten etwa bei einem Fünftel der Betroffenen auf. Jährlich sterben weltweit eine halbe bis drei Viertel Million Menschen an Magenkrebs.

Obwohl H. pylori auf Cholesterin angewiesen ist, schadet ihm zuviel der Substanz jedoch, wie Wissenschaftler des Berliner Max-Planck-Instituts, des Leibniz-Zentrums in Borstel sowie der Universitäten Hamburg und Magdeburg herausgefunden haben: Als die Forscher Mäuse mit einer cholesterinreichen Diät fütterten, dezimierten sie die Bakterien in ihren Mägen drastisch, verglichen mit Mäusen auf cholesterinarmer Diät. „Eigentlich haben wir genau das Gegenteil erwartet“, sagt Prof. Thomas Meyer, Direktor am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie und Leiter der Forschungsgruppe: Cholesterin, so die ursprüngliche Hypothese, würde die Vermehrung der Bakterien deutlich ankurbeln.

Doch das tat es nicht. Im Gegenteil: Zu viel Cholesterin machte die Bakterien sensibel gegenüber der körpereigenen Abwehr: Ein Überschuss des Lipids lässt die Antigen präsentierenden Zellen besonders gut arbeiten. Sie nehmen den Erreger dann sehr effizient auf und präsentieren Teile von ihm auf ihrer Oberfläche. Auf diese Weise alarmieren sie T-Zellen, die eine spezifische Immunantwort gegen den Erreger einleiten. Wie genau Cholesterin die Antigen präsentierenden Zellen stimuliert, ist noch nicht klar.

Doch Helicobacter pylori kann der Immunantwort ausweichen, wenn die Mäuse nicht ständig eine Extraportion Cholesterin fressen. Die Bakterien hängen nämlich ein Zuckermolekül an das Lipid, ehe sie es in ihre Membranen einbauen. In der veränderten Form stimuliert Cholesterin die Immunabwehr nicht mehr. Ohne ständigen Cholesterin-Nachschub verliert das Lipid also rasch seine schützende Wirkung, wie das Team um die Max-Planck-Wissenschaftler feststellte. Die Forscher entdeckten sogar das Enzym, mit dem die Mikroben Cholesterin umbauen und entschärfen.

„Unsere Forschungsergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten, Antibiotika zu entwickeln“, sagt Thomas Meyer. „Unser Ziel ist es nun, die Cholesterin-Modifikation zu hemmen, um das Pathogen so für das menschliche Immunsystem angreifbar zu machen.“ Ein solches Antibiotikum, das H. pylori mit Hilfe des Immunsystems bekämpft, würde Ärzten ein neues Mittel gegen den Krankheitserreger verschaffen, der gegen andere Antibiotika bereits häufig Resistenzen entwickelt hat.

Originalveröffentlichung:

Christian Wunder, Yuri Churin, Florian Winau, Dirk Warnecke, Michael Vieth, Buko Lindner, Ulrich Zähringer, Hans-Joachim Mollenkopf, Ernst Heinz and Thomas F. Meyer
Cholesterol glucosylation promotes immune evasion by H. pylori
Nature Medicine, 3. September 2006

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Dr. Andreas Trepte Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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