Saubere Lösungen entwickeln

„Cellulose zählt zu den bekanntesten und am weitesten verbreiteten Biopolymeren, die wir kennen. Vielleicht wird der Stoff gerade deshalb in seinen Möglichkeiten unterschätzt“, erklärt Projektleiter Dr. Tim Liebert. Der Chemiker leitet die neu gegründete Nachwuchsgruppe „Innovative Konzepte zur Umformung und Modifizierung von Cellulose“ im Kompetenzzentrum Polysaccharidforschung der Universität Jena. „Wir werden das tun, was Chemiker grundsätzlich tun“, beschreibt Liebert die Aufgaben der neuen Forschergruppe. „Wir fragen uns: Was steckt da drin, wie kann ich es umformen und was kann ich damit herstellen.“

Cellulose – in seiner molekularen Struktur ein Vielfachzucker, also ein Polysaccharid – ist ein nachwachsender pflanzlicher Rohstoff, der aus Holz ebenso gewonnen werden kann, wie aus anderen Pflanzen, zum Beispiel Baumwolle, Hanf oder Agaven. Mit Cellulosefasern hantiert jeder täglich: in Form von Watte, Papier oder Kleidungsstücken. „Zuckerstrukturen sind sogar in jede Zelloberfläche des menschlichen Körpers eingebaut, es sind Biomaterialien, die der Körper kennt. Das ist auch ein Grund für die hohe Bioverträglichkeit,“ erzählt Liebert und formuliert das Ziel der Nachwuchsgruppe: „Bisher sind die Lösemittel, die man zur Herstellung von Celluloseprodukten benötigt, aber schwer zu handhaben und toxisch. Da wollen wir ansetzen, wir wollen neue, umweltverträglichere Verfahren entwickeln.“ Aber nicht nur der Umweltaspekt spielt eine Rolle, auch die Verfügbarkeit: „Stoffe aus nachwachsenden Rohstoffen werden immer wichtiger, auch im Hinblick auf die begrenzte Ressource Erdöl“.

Prof. Dr. Thomas Heinze, Leiter des Jenaer Kompetenzzentrums, freut sich mit Liebert darüber, dass ihr Forschungsvorhaben vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) unterstützt wird. Dazu musste es sich im Wettbewerb durchsetzen und die Konkurrenz war groß: 80 Forschergruppen reichten Anträge ein, nur sechs davon wurden bewilligt. Die Förderung für die neue Jenaer Gruppe beträgt über eine Million Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren. Zwei Wissenschaftler, zwei Doktoranden und ein technischer Mitarbeiter können sich nun der Grundlagenforschung widmen – spätere Anwendung in der Industrie nicht ausgeschlossen. „Wir vollziehen hier im Kompetenzzentrum den Spagat zwischen Industrie- und Grundlagenforschung – bisher erfolgreich für beide Seiten. Die Ergebnisse und Entwicklungen sind interessant für Unternehmen der Medizintechnik, der Pharmazie oder der Textilindustrie“, so Heinze. „Vielleicht finden wir aber auch bisher unbekannte Applikationsmöglichkeiten.“ Auch für die Studenten wirkt sich die Nachbarschaft von Theorie und Praxis positiv aus. „Unsere Absolventen sind überall willkommen, weil sie gelernt haben, sich auch mit Fragen der Industrie zu beschäftigen.“

Sechs international agierende Konzerne hatten für das im Jahr 2002 eröffnete Kompetenzzentrum die Anschubfinanzierung geleistet – und damit maßgeblich zur Entstehung eines in seiner Verbindung von Know-how und apparativer Ausstattung europaweit einzigartigen Kompetenzzentrums Polysaccharidforschung beigetragen. Das Zentrum gehört u. a. zum „European Polysaccharide-Network of Excellence“. Ergebnisse der hier gemachten Forschungsergebnisse sind beispielsweise in dem vom Springer-Verlag soeben veröffentlichten Band „Esterification of Polysaccharides“ nachzulesen.

Aber nicht nur der Industrie gegenüber sind Heinze und sein Team aufgeschlossen. Sie freuen sich auch über die kurzen Wege zu vielen anderen Kollegen außerhalb der Universität: „Wir haben hier nicht nur die anderen Institute der Universität oder der Fachhochschule, sondern auch Fraunhofer- und Max-Planck-Institute und viele private Einrichtungen, die sehr zugänglich sind. Diese Vielfalt und die Atmosphäre machen Jena zu einem sehr interessanten Forschungsstandort.“

Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Heinze
Kompetenzzentrum Polysaccharidforschung der Universität Jena
Humboldtstr. 10, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 948270
Fax: 03641 / 948272
E-Mail: Thomas.heinze[at]uni-jena.de / tim.liebert[at]uni-jena.de

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Axel Burchardt idw

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