Wespen haben einen langen Atem

Nicht der Mensch besitzt die leistungsfähigsten Muskeln im Tierreich, auch nicht Gepard oder Turmfalke. Nein: „Die Flugmuskeln von Insekten haben die höchste Stoffwechselrate“, betont Dr. Anke Schmitz, Privatdozentin am Institut für Zoologie der Universität Bonn. Eigentlich erstaunlich, verfügen Insekten doch weder über Lungen noch über einen für die Atmung relevanten Blutkreislauf oder einen Blutfarbstoff, der Sauerstoff transportieren würde. Muskeln sind aber auf eine gute Sauerstoffversorgung angewiesen.

„Insekten transportieren die Luft über ein verzweigtes Röhrensystem, die so genannten Tracheen“, erklärt Schmitz. Der Luftaustausch erfolgt über mehrere kleine Löcher in dem Chitinpanzer. Bei Bewegung wird die Luft in den Röhren sogar aktiv hin- und hergepumpt. Das ist extrem effektiv: Während ein Sprinter während des Laufs „anaerob“ wird, seine Muskeln also zuwenig Sauerstoff bekommen und ihre Energie durch weniger effiziente Stoffwechselwege gewinnen müssen, geht Insektenmuskeln praktisch nie die Luft aus. „Daher können die Tiere auch an sehr sauerstoffarmen Standorten leben“, sagt Schmitz.

Neue Erkenntnisse zur Atmung der Insekten sind nur ein Thema des ersten internationalen Kongresses zur Atmungsbiologie (International Congress of Respiratory Biology ICRB). „Atmungsbiologie ist ein extrem vielschichtiges Feld“, erklärt Professor Dr. Steven Perry. Der Bonner Zoologe hat die Veranstaltung federführend ins Leben gerufen, um weltweit Experten aus den unterschiedlichen Teildisziplinen zusammen zu bringen. „Bislang trafen sich meist spezialisierte Forschergruppen auf sehr speziellen Tagungen“, sagt er. „Wir wollten dagegen ein Forum für die fachübergreifenden Fragen der Atmungsbiologie schaffen.“

Auch Krebszellen brauchen Sauerstoff

So kommen bei der Premiere in Bonn auch biochemische und evolutionsbiologische Aspekte nicht zu kurz. Die Frage, wie sich die Gastransportproteine entwickelt haben – dazu gehört beispielsweise der rote Blutfarbstoff Hämoglobin -, ist ebenso Thema wie die Atmungsregulation: Wie „spürt“ ein Organismus, dass seine Zellen zu wenig Sauerstoff bekommen, und wie reagiert er? Das Gehirn gibt dann beispielsweise den Befehl 'schneller Atmen', während zusätzlich durch Aktivierung bestimmter Gene die Produktion roter Blutkörperchen angekurbelt wird. Gleichzeitig wachsen neue Gefäße und verbessern so die Durchblutung. Die dafür verantwortlichen Erbanlagen sind inzwischen sogar ins Visier der Krebsforscher gerückt: Denn viele Tumoren nutzen diesen Mechanismus, um ihrerseits feine Blutgefäße zu bilden und sich damit ans Kreislaufsystem anzudocken. So gelangen sie an den Sauerstoff, den sie zum Wachstum benötigen.

Mehr als 150 Kurzvorträge umfasst das dreitägige Programm. Die Wissenschaftler reisen aus über 20 Ländern rund um den Globus an. „Wir wollen mit dieser Tagung zukünftig eine regelmäßige Plattform für sämtliche Aspekte unseres Forschungsfeldes schaffen“, sagt Professor Perry. „Dieser fachübergreifende Ansatz liegt im Interesse jedes Atmungsbiologen, ob er nun mit molekularen oder vergleichend organismischen Methoden forscht.“

Am 14. August 2006 um 18.00 im Hauptgebäude der Universität hält Prof. Dr. Jennifer A. Clack (Cambridge University) den Hauptvortrag mit dem Titel „Gills, lungs and spiracles – fossil evidence for the evolution of air breathing“. Hierzu sind Interessenten gerne eingeladen. Näheres erfährt man am Ort über Aushänge und im Internet unter http://www.respirbiol.org

Kontakt:
Prof. Dr. Steven F. Perry
Institut für Zoologie an der Universität Bonn
Telefon: 0228/73-3807
E-Mail: perry@uni-bonn.de

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Frank Luerweg idw

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