Wie Mütter ihren Nachwuchs für die Zukunft wappnen

Weibliche Wasserflöhe geben Informationen über Umweltbedingungen an ihre Nachkommen weiter

Wasserflöhe (Daphnien) beeinflussen die Bereitschaft ihrer eingeschlechtlich erzeugten Nachkommen, in die zweigeschlechtliche Reproduktion einzutreten und widerstandsfähige Dauereier zu bilden. Wie Victor Alekseev und Winfried Lampert vom Max-Planck-Institut für Limnologie in Plön in der Nature-Ausgabe vom 20. Dezember 2001 berichten, zeigen Laborexperimente, dass die weiblichen Wasserflöhe ihren Töchtern über das Ei Informationen über Nahrungsbedingungen und Tageslänge, unter denen sie leben, weitergeben. Damit ermöglichen sie ihrem Nachwuchs, sich mit ihrer Fortpflanzungsstrategie optimal an die vorherrschende Jahreszeit anzupassen.

In den Lebensgemeinschaften von Seen spielen Wasserflöhe (Daphnien) eine bedeutende Rolle. Ihr Erfolg, sich in diesem Ökosystem zu behaupten, beruht dabei vor allem auf ihrer Fortpflanzungsweise: Daphnien pflanzen sich eingeschlechtlich, also über Parthenogenese (Jungfernzeugung) fort. Aufgrund dieser Fortpflanzungsweise können sie leicht als Klone kultiviert werden. Und das hat sie zu einem überaus interessanten Modellorganismus in der aquatischen Ökologie gemacht. Im Zentrum wissenschaftlicher Untersuchungen stehen die Strategien, mit denen diese sehr kurzlebigen Organismen (Daphnien leben nur wenige Wochen) ihren Lebenszyklus an sich wandelnde Umweltbedingungen anpassen.

Eine weibliche Daphnia stößt ein sattelförmiges Gebilde (Ephippium) ab, das sich über dem Brutraum auf ihren Rücken gebildet hat. Dieses enthält zwei Dauereier, die durch zweigeschlechtliche Reproduktion entstanden sind, eine Fortpflanzungsart, die bei Daphnien nur selten vorkommt. Das Ephippium kann Jahrzehnte unter ungünstigen Umweltbedingungen überleben, bevor aus den Dauereiern neue Daphnien schlüpfen.

Zu bestimmten Zeiten gehen die weiblichen Wasserflöhe zu bisexueller, also zweigeschlechtlicher Fortpflanzung über. Über dem Brutraum eines weiblichen Wasserflohs entsteht dann ein sattelförmiges Gebilde (Ephippium), das zwei Dauereier enthält. Diese können, wenn für die Daphnien ungünstige Umweltbedingungen vorherrschen, viele Jahre beispielsweise in Seesedimenten überleben. So werden Dauereier vor allem im Spätherbst gebildet, weil sich zu diesem Zeitpunkt die Futterbedingungen für die Daphnien deutlich verschlechtern. Die Umstimmung der parthenogenetischen Weibchen zu bisexueller Fortpflanzung erfordert verschiedene Signale aus der Umwelt. Für die Forscher stellt sich die Frage, welche Umweltstimuli für das exakte „Timing“ ausschlaggebend sind. Denn einerseits muss die Umstimmung im Reproduktionszyklus erfolgen, bevor es für die Wasserflohpopulation zu spät ist und sie Gefahr läuft, an Futtermangel einzugehen, andererseits wäre es ausgesprochen ineffektiv, wenn die Weibchen auf kurze Perioden von Futtermangel oder Kälteeinbrüche im Sommer bereits mit der Umschaltung auf Dauereierproduktion reagierten.

Viktor Alekseev, Gastforscher aus St. Petersburg, und Winfried Lampert vom Max-Planck-Institut für Limnologie in Plön haben jetzt einen Mechanismus gefunden, mit dem sich erklären lässt, weshalb es sowohl im späten Frühjahr als auch im Herbst zur schubweisen Produktion von Dauereiern kommen kann. In kontrollierten Laborexperimenten wurden die meisten Dauereier produziert, wenn die Mutter reichlich Futter hatte, die Nachkommen aber wenig, und wenn gleichzeitig beide unter Kurztagbedingungen (d.h. 10 Stunden Licht/14 Stunden Dunkel) lebten. Diese Situation ist im Freiland nur im Herbst gegeben, wenn tatsächlich massive Dauereiproduktion gefunden wird. Die Laborergebnisse erklären aber auch das gelegentliche Auftreten eines zweiten Schubs von Dauereierproduktion im Frühsommer: Hier kann es durch die Filtriertätigkeit der Daphnien im See zu einem „Klarwasserstadium“ und damit ebenfalls zu Futtermangel kommen. Unter keinen Umständen wurden Dauereier gebildet, wenn die zweite Generation unter guten Futterbedingungen lebte.

Für die Bereitschaft der Nachkommen, Dauereier zu bilden, waren also nicht nur Informationen über die Umweltbedingungen ausschlaggebend, denen sie selbst ausgesetzt waren, sondern auch die Futter- und Lichtbedingungen (Tageslänge), unter denen ihre Mütter gelebt hatten. Offensichtlich haben weibliche Wasserflöhe einen Weg gefunden, ihrem Nachwuchs diese Informationen über die Eier mitzugeben. Die Weitergabe von Umweltinformationen an die nächste Generation ist eine interessante Möglichkeit für kurzlebige Organismen ihren Lebenszyklus an die Umweltbedingungen optimal anzupassen. In der evolutionären Ökologie spielen solche „maternalen Effekte“ zunehmend eine Rolle.

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