Lebenden Zellen bei der Arbeit zuschauen

Moderne wissenschaftiche Kameras sind empfindlich und schnell genug, um Bilder von frei beweglichen, einzelnen Molekülen aufzunehmen. Damit können erstmalig physiologische Prozesse in lebenden Zellen in Echtzeit auf der Ebene einzelner Moleküle beobachtet werden. Die Grafik zeigt die Bewegungen einzelner fluoreszierender Proteinmoleküle (die vier kleineren Signale im Vordergrund) und einzelner "Quantenpunkte" (größere Signale im Hintergrund) in Zeitabständen von 3/1000 Sekunden. (Grafik: Ulrich Kubitscheck; in: Grünwald, D., A. Hoekstra, T. Dange, V. Buschmann, and U. Kubitscheck. 2006. Direct Observation of Single Protein Molecules in Aqueous Solution. ChemPhy

Zu den fundamentalen Lebensprozessen in Zellen, die Forscher jetzt beobachten können, gehören zum Beispiel die Verdopplung der Erbsubstanz DNA vor der Zellteilung, die Reparatur geschädigter DNA, das Umschreiben der Geninformation, aber auch die Entwicklung einer einzelnen Blutstammzelle aus einer embryonalen Stammzelle. Wie die „biomolekularen Maschinen“ – Komplexe aus einer Reihe von Proteinen oder Nukleinsäuren – funktionieren, ist für die biomedizinische Forschung von großer Bedeutung. Sie standen im Mittelpunkt eines internationalen Symposiums, das das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und die Universität Heidelberg gemeinsam veranstaltet haben. Organisatoren waren Dr. M. Cristina Cardoso (MDC) und Prof. Christoph Cremer (Universität Heidelberg). Zu dem Symposium, das Teil eines Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist, waren Mitte Juli 2006 rund 150 Wissenschaftler aus der ganzen Welt in das Max Delbrück Communications Center (MDC.C) nach Berlin-Buch gekommen.

Zellen sind die kleinsten lebenden Einheiten von Menschen, Pflanzen und Tieren. Sie sind etwa 10 bis 20 Mikrometer groß (1 Mikrometer = 1/1000 Millimeter). Die Erforschung lebender Zellen ist nur mit Hilfe der Lichtmikroskopie möglich. Die Auflösungsgrenze der Lichtmikroskopie war bis Anfang der 90er Jahre durch die Wellenlänge des Lichtes begrenzt und betrug rund 200 Nanometer (nm), wie der Jenaer Physiker Ernst Abbe bereits 1873 postuliert hatte. Ein Nanometer entspricht einem millionstel Millimeter.

Viele biomedizinisch relevante zelluläre Strukturen sind aber in der Regel kleiner als 200 nm und konnten somit nicht untersucht werden. Technische Weiterentwicklungen in jüngster Zeit haben jedoch die Auflösung des Lichtmikroskops erheblich erhöht. Dazu gehören die konfokale Fluoreszenzmikroskopie und höchstauflösende Mikroskope (Nanoskopie). Mit den besten derzeitigen lichtoptischen Verfahren können Forscher jetzt fundamentale Strukturen in einzelnen Zellen mit einer Auflösung von wenigen 10 Nanometer analysieren. Prof. Cremer wies darauf hin, dass Präzisionsgeräte zur optischen Analyse hauptsächlich in Europa entwickelt werden und der Bau dieser Geräte besonders in Deutschland stark vertreten ist.

Leuchtkraft fluoreszierender Farbstoffe lässt sich jetzt erhöhen
Prof. Konstantin A. Lukyanov von der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau berichtete auf dem Berliner Symposium, dass jetzt so genannte lichtaktivierbare fluoreszierende Farbstoffe (engl. Abk: PAFPs) entwickelt werden konnten, deren Leuchtkraft „drastisch“ erhöht werden kann, wenn die damit markierte Zelle oder Zellstruktur mit Licht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt wird. Damit sei es noch besser als bisher möglich, lebende Zellen, Organellen und Proteine „optisch“ zu markieren und zu beobachten.

Erstmals sei es auch gelungen, so Prof. Lukyanov weiter, ein so genanntes phototoxisches fluoreszierendes Protein auf der Basis eines Quallenproteins zu entwickeln und es gezielt einzusetzen. Bisher schätzten Forscher solche Proteine nicht sehr, da sie den unerwünschten Nebeneffekt hatten, ihre Proben zu zerstören. Genau diese Fähigkeit will sich Prof. Lukyanov jedoch zunutze machen. „Jetzt eröffnet sich die Möglichkeit, Zellen, die mit diesem Protein markiert sind, gezielt mit Licht einer bestimmten Wellenlänge zu zerstören und bestimmte Proteine zu inaktivieren“, sagte er. „Vorausgesetzt es gelingt, das Protein mit Hilfe viraler Vektoren direkt in solide Tumoren einzubringen, können Tumorzellen mit Licht zerstört werden“. Doch noch steht die Forschung mit phototoxischen Proteinen ganz am Anfang.

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