Zweistufiger Verstärker

Bioanalytische und diagnostische Testverfahren basieren sehr häufig darauf, dass Biomoleküle andere „erkennen“. Solche biochemischen Signale sind aber nicht direkt detektierbar, sondern müssen in physikalische Signale umgewandelt werden, etwa ein elektrisches oder ein optisches. Da es sich meist um verschwindend geringe Substanzmengen handelt, die in winzigsten Probenvolumina nachgewiesen werden sollen, muss zudem ein effektiver „Verstärker“ zwischengeschaltet sein. Als Verstärker und Signaltransformator sind Enzymreaktionen eine gute Wahl: Ein einzelnes Enzymmolekül produziert eine große Zahl detektierbarer – z.B. fluoreszierender – Moleküle, deren Nachweis dann problemlos gelingt. Dieses Prinzip ist auch die Basis für eine inzwischen gut etablierte Methode, den enzymgekoppelten Immunnachweis (ELISA-Test). Jerusalemer Forscher haben nun ein neues ELISA-Protokoll entwickelt, das mit zwei aufeinander aufbauenden Enzymreaktionen arbeitet. Enzym 1 erzeugt viele Kopien von Enzym 2, dieses erzeugt wiederum viele Kopien eines detektierbaren Fluoreszenzfarbstoffs. Auf diese Weise wird der Verstärkungseffekt potenziert – und der Test damit wesentlich empfindlicher. Dem Team um Itamar Willner ist es gelungen, auf der Basis dieses neuen Protokolls einen ELISA-Test für Telomerase zu entwickeln, einen wichtigen Krebsmarker. Im Vergleich zu herkömmlichen Telomerase-Tests arbeitet er wesentlich einfacher, rascher und dabei deutlich empfindlicher.

Und so funktioniert's: Antikörper, die gegen Telomerase gerichtet sind, werden auf einem Träger fixiert. Darauf gibt man die Probe. Darin enthaltene Telomerase bleibt an den Antikörpern haften. Im nächsten Schritt wird ein weiterer Telomerase-Antikörper aufgegeben. Er erkennt die gebundene Telomerase und bindet nun seinerseits daran. Der Trick: Dieser zweite Antikörper ist mit einer Bindestelle für einen molekularen „Adapter“ versehen. Über den Adapter kann nun das ebenfalls mit einer Adapter-Bindestelle versehene Enzym Ecarin andocken. Jetzt kann der zweistufige Verstärker anlaufen: Ecarin setzt zugefügtes Prothrombin zu Thrombin um (eine Reaktion, die übrigens bei der Blutgerinnung eine Rolle spielt). Thrombin ist seinerseits ein Biokatalysator, der in der Lage ist, den Fluoreszenzfarbstoff Rhodamin aus einer nichtfluoreszierenden Vorstufe freizusetzen. Anhand einer Messung der Fluoreszenz konnten die Forscher die Telomerase aus nur 1000 Krebszellen nachweisen – eine Menge, die sich mit bisherigen Nachweismethoden nicht mehr erfassen lässt.

Die Methode der nichtlinearen Verstärkung durch gekoppelte Enzymreaktionen eignet sich aber nicht nur für Immuntests, sondern auch für den Nachweis spezifischer DNA-Sequenzen.

Angewandte Chemie: Presseinfo 27/2006

Angewandte Chemie 2006, 118, No. 29, 4933-4937, doi: 10.1002/ange.200600073

Autor: Itamar Willner, The Hebrew University of Jerusalem (Israel), http://chem.ch.huji.ac.il/employee/willner/iwillner.htm

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69495 Weinheim, Germany

Media Contact

Dr. Renate Hoer idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Merkmale des Untergrunds unter dem Thwaites-Gletscher enthüllt

Ein Forschungsteam hat felsige Berge und glattes Terrain unter dem Thwaites-Gletscher in der Westantarktis entdeckt – dem breiteste Gletscher der Erde, der halb so groß wie Deutschland und über 1000…

Wasserabweisende Fasern ohne PFAS

Endlich umweltfreundlich… Regenjacken, Badehosen oder Polsterstoffe: Textilien mit wasserabweisenden Eigenschaften benötigen eine chemische Imprägnierung. Fluor-haltige PFAS-Chemikalien sind zwar wirkungsvoll, schaden aber der Gesundheit und reichern sich in der Umwelt an….

Das massereichste stellare schwarze Loch unserer Galaxie entdeckt

Astronominnen und Astronomen haben das massereichste stellare schwarze Loch identifiziert, das bisher in der Milchstraßengalaxie entdeckt wurde. Entdeckt wurde das schwarze Loch in den Daten der Gaia-Mission der Europäischen Weltraumorganisation,…

Partner & Förderer