Saure Zeiten – Eine im Honig enthaltene Säure hilft Bienen gegen die Milbenplage

Die Milbe Varroa destructor befällt und schädigt sowohl Arbeiterinnen als auch Drohnen und ihre Brut – bei sehr starkem Befall sogar die Königinnen. Dabei schiebt sich der Parasit zwischen die Bauch- oder Rückenschuppen der Biene, durchbohrt mit seinen Mundwerkzeugen die Körperdecke und saugt das Blut, die Hämolymphe. Um die Bienenvölker zu erhalten, müssen die Milben regelmäßig bekämpft werden. Da die Milben im Laufe der Zeit jedoch gegen einige der eingesetzten Bekämpfungsmittel resistent geworden sind, kooperieren Wissenschaftler aus zehn EU-Staaten seit 1997 in einer Arbeitsgruppe. Ihr wichtigstes Ziel: die Entwicklung und Zulassung von Oxalsäure als Tierarzneimittel für alle EU-Staaten – und nicht zuletzt für Deutschland. „In Deutschland läuft das offizielle Zulassungsverfahren noch, es steht kurz vor dem Abschluss durch den Bundesrat. Seit Dezember 2005 dulden aber die meisten Bundesländer die Anwendung dieser Säure“, sagt Eva Rademacher. Denn Oxalsäure, die ohnehin in Honig vorkommt, kann der Milbenplage den Garaus machen. Die Forscher konnten anhand umfangreicher Versuchsreihen belegen, dass die organische Säure die Parasiten bekämpft, ohne die Bienen zu schädigen.

Bis zur Zulassung eines Tierarzneimittels in der Europäischen Union ist es jedoch ein weiter Weg. Zunächst muss die Europäische Agentur für die Bewertung von Medizinprodukten beurteilen, wir hoch die Rückstandsmenge eines Wirkstoffes in dem von dem jeweilgen Tier erzeugten Produkt sein darf. Diesen Wert nennt man maximal zulässige Rückstandsmenge (MRL). Da ein solcher MRL-Wert für Oxalsäure in der EU bislang nicht festgelegt war, musste dieser zunächst definiert werden – eine notwendige Voraussetzung, um das Zulassungsverfahren für das Arzneimittel einleiten zu können. „Hierfür mussten wir in Zusammenarbeit mit Humantoxikologen ein umfassendes Dossier zur Oxalsäure erstellen“, erklärt Eva Rademacher.

Oxalsäure kommt in vielen Lebensmitteln vor – vor allem in Gemüse wie Spinat, Rhabarber und Roter Beete, aber auch in Tee und Kakao. Verbraucher in Europa nehmen pro Tag durchschnittlich 70 bis 80 Milligramm an Oxalsäure zu sich. Bei Vegetariern liegt die Menge sogar bei 400 bis 600 Milligramm pro Tag. „Selbst wenn sich der natürliche Säuregehalt im Honig durch die Anwendung von Oxalsäure als Milbenbekämpfungsmittel eventuell geringfügig erhöhen sollte, würde das zu keinem Gesundheitsrisiko für den Verbraucher führen“, sagt die Biologin. Die Aufnahme von Oxalsäure aus Honig unbehandelter oder auch sachgerecht behandelter Bienenvölker sei im Vergleich zu der täglich aufgenommenen Oxalsäure aus anderen Nahrungsmitteln laut der europäischen Kommission für veterinärmedizinische Erzeugnisse unbedeutend. „Diese Bewertung war die Basis dafür, dass wir die nationalen Zulassungen in Europa auf den Weg bringen konnten“, erklärt Eva Rademacher.

Ebenso wie Medikamente für Menschen werden Tierarzneimittel in Deutschland strengstens geprüft. „Unter anderem wird bei der Zulassung ganz genau festgeschrieben, in welcher Verdünnung und Darreichungsform eine Substanz eingesetzt werden darf“, sagt die Biologin. Für die Oxalsäure seien drei Anwendungsformen in Frage gekommen, dabei habe sich das Träufeln als die günstigste Methode herausgestellt. Um das Verfahren zu testen, trugen die Bienenforscher während der brutlosen Periode im Spätherbst eine zuckerhaltige Oxalsäuredihydrat-Lösung mit Hilfe einer Spritze direkt auf die Bienen in den Wabengassen auf. Das Ergebnis: Etwa 95 Prozent der Milben konnte vernichtet werden. Wie die Oxalsäure im Detail auf die Milbe wirkt, erforschen die Wissenschaftler derzeit noch. Ihre zuverlässige Wirkung hingegen haben sie bereits nachgewiesen. „Oxalsäure ist die Substanz, die uns zukünftig helfen wird, die Bienenvölker mit ihrem hohen Nutzen für die Allgemeinheit zu erhalten“, sagt Eva Rademacher. Denn der Ausfall der Biene als Honigproduzentin, vor allem aber als Bestäuberin von immerhin rund 80 Prozent der durch Insekten bestäubten Wildpflanzen, hätte ernste Konsequenzen: Das ökologische Gleichgewicht würde wahrscheinlich dramatisch verschoben werden, eine Verarmung der Flora und Fauna wäre die Folge.

Schließlich wusste schon Albert Einstein: „Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben; keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr…“

Von Ilka Seer

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Dr. Eva Rademacher, Institut für Biologie/Neurobiologie der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-52847, E-Mail: radem@zedat.fu-berlin.de

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