Bioinformatiker erstellen Karte zur Evolution von Proteinen

Proteine als die wichtigsten Bausteine des Lebens sind Produkte einer Optimierung über Jahrmillionen. Ihre Eigenschaften, entscheidend für ihre Rolle im zellulären Geschehen, lassen sich nicht einfach aus der Folge der Aminosäurebausteine ablesen. Das wichtigste Werkzeug ist dabei der Vergleich der Sequenzen untereinander. Proteinähnlichkeiten geben Hinweise auf die Verwandschaftsverhältnisse zwischen Proteinen. Verwandte Proteine haben oft gleiche oder ähnliche Eigenschaften und Funktionen im Organismus, da sie sich im Lauf der Evolution nur langsam verändern. Da man derzeit viel mehr Proteinsequenzen kennt als man eingehend in Labors untersuchen kann, werden die experimentellen Erkenntnisse über ein Protein auch auf dessen Verwandte übertragen.

Die Anfrage der Biologen „welche Proteine sind mit meinem Protein verwandt“ wird täglich hunderttausendfach von den Computern weltweit bearbeitet. Daraus entstand die Idee, alle bekannten Proteine zu vergleichen („alle gegen alle“) und damit eine ultimative Lösung des Problems anzubieten. Mit dem Ergebnis in Form einer Datenbank, können nicht nur Anfragen rasch und effizient beantwortet werden, der entstandene Datensatz ist eine ideale Basis zur Beantwortung vieler Fragen der Molekularbiologen. SIMAP („Similarity Matrix of Proteins“) ist ein Gemeinschaftsprojekt des Lehrstuhls für Genomorientierte Bioinformatik der Technischen Universität München und des Instituts für Bioinformatik (MIPS/IBI) am Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (GSF) bei München. Mit SIMAP steht eine vollständige Matrix aller bekannten Proteinverwandtschaften zur Verfügung, die ständig aktualisiert wird.

Aktuell sind die Sequenzen von ungefähr vier Millionen Proteinen öffentlich bekannt. Die vollständige Berechnung der Sequenzähnlichkeiten erfordert eine enorme Rechenkapazität. Auf einem einzelnen Computer würde die Berechnung der 16.000 Milliarden Vergleiche etwa 80 Jahre dauern. Daher entschloss sich das Team um Dr. Thomas Rattei, Roland Arnold und Prof. Dr. Hans-Werner Mewes, auf die Hilfe von Freiwilligen zurückzugreifen, welche die ungenutzte Rechenkapazität ihrer Computer zur Verfügung stellen. Diese Technologie nennt sich Community Grid Computing, prominentestes Beispiel ist das SETI@HOME Projekt, welches seit vielen Jahren Radiowellen aus dem Weltraum nach Signalen außerirdischer Intelligenz durchsucht. SIMAP@HOME ist das erste deutsche Community Grid Projekt und hat seit Dezember 2005 rund 5000 Freiwillige mit über 10000 Computern aus mehr als 50 Ländern gewinnen können. Die momentane Rechenkapazität liegt bereits im Leistungsbereich eines Supercomputers mit weit mehr als 2 Teraflops, eine Leistung, die die Kapazität vieler Rechenzentren bei weitem übertrifft.

Die vorhandene Information über Gen- und somit Proteinsequenzen steigt durch die schnell wachsende Zahl an Genomsequenzierprojekten rapide an. Durch die Hilfe der weltweiten Community wird das SIMAP-Projekt in der Lage sein, auch in Zukunft mit dieser Entwicklung Schritt zu halten und wertvolle Daten für zahlreiche Analysen in der Genom- und Gesundheitsforschung zeitnah zu liefern.

Die gewonnen Informationen stehen jedem Wissenschaftler zur Verfügung und können über die Projekt-Webseite abgerufen werden: http://boinc.bio.wzw.tum.de/boincsimap

Kontakt:
Dr. Thomas Rattei
Technische Universität München
Lehrstuhl für Genomorientierte Bioinformatik
Am Forum 1
85354 Freising
e-Mail: t.rattei@wzw.tum.de
Tel. 08161/712132
Fax 08161/712186

Media Contact

Tina Heun idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Merkmale des Untergrunds unter dem Thwaites-Gletscher enthüllt

Ein Forschungsteam hat felsige Berge und glattes Terrain unter dem Thwaites-Gletscher in der Westantarktis entdeckt – dem breiteste Gletscher der Erde, der halb so groß wie Deutschland und über 1000…

Wasserabweisende Fasern ohne PFAS

Endlich umweltfreundlich… Regenjacken, Badehosen oder Polsterstoffe: Textilien mit wasserabweisenden Eigenschaften benötigen eine chemische Imprägnierung. Fluor-haltige PFAS-Chemikalien sind zwar wirkungsvoll, schaden aber der Gesundheit und reichern sich in der Umwelt an….

Das massereichste stellare schwarze Loch unserer Galaxie entdeckt

Astronominnen und Astronomen haben das massereichste stellare schwarze Loch identifiziert, das bisher in der Milchstraßengalaxie entdeckt wurde. Entdeckt wurde das schwarze Loch in den Daten der Gaia-Mission der Europäischen Weltraumorganisation,…

Partner & Förderer