Bei Mäusen scheinen bestimmte interzelluläre Röhren dafür zu sorgen, dass das Herz nicht aus dem Takt gerät

Doch zumindest im Mäuseherzen gibt es auch Röhren, die elektrische Reize und Signalmoleküle nur sehr langsam durchlassen. Das zeigt eine Studie an der Universität Bonn, die am Institut für Genetik und in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II entstanden ist. Die „langsamen“ Röhren verhindern möglicherweise, dass die Kreislaufpumpe lebensbedrohlich aus dem Takt gerät. Die Studie ist jetzt in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (USA) erschienen.

Die interzellulären Röhren bestehen aus Proteinen, den so genannten Connexinen. Sie durchdringen die Membran und bilden einen geschlossenen Halbkanal. Bei benachbarten Zellen können die Halbkanäle aneinander docken und sich zu einer interzellulären Röhre öffnen. Es gibt viele verschiedene Connexintypen. Nicht alle lassen dieselben Substanzen durch. Auch unterscheiden sie sich in der Geschwindigkeit, mit der Moleküle sie von einer Zelle zur anderen durchqueren können. Eine besonders „langsame“ Connexin-Variante wurde vor fünf Jahren in der Maus entdeckt. Bei Menschen gibt es einen ähnlichen Connexintyp. Wofür der Körper dieses Connexin benötigt, war lange unklar. „Wir haben daher in Mäusen untersucht, wo diese ’langsamen’ Connexinröhren gebildet werden“, erklärt die Bonner Doktorandin Maria Kreuzberg im Institut für Genetik. Fündig wurden die Forscher vor allem im Mäuseherzen.

Der Hohlmuskel besteht bei Mäusen wie bei Menschen aus zwei Vorhöfen und zwei Hauptkammern. Wenn die Vorhöfe sich zusammenziehen, pumpen sie das Blut in die Hauptkammern. Diese kontrahieren ein wenig später und befördern das Blut dabei in den Körper- und Lungenkreislauf. Prinzipiell funktioniert das ohne Anstoß von außen. Jedes Säugetier-Herz verfügt nämlich über eine eigene Schrittmacherregion, den Sinusknoten. Durch dessen Taktgebung entstehen elektrische Reize, die durch „schnelle“ interzelluläre Röhren über die Vorhöfe geleitet werden und veranlassen, daß diese sich zusammenziehen. Anschließend laufen die Reize im AV Knoten zusammen, treten von dort in die Hauptkammern über und bewirken ebenfalls deren Kontraktion.

Die Reizweiterleitung im AV Knoten erfolgt jedoch verzögert, wie Dr. Jan Schrickel von der Medizinischen Klinik II gemessen hat. So ist gewährleistet, dass sich die Kammern erst nach den Vorhöfen zusammenziehen. „Mitverantwortlich für diese Verzögerung scheinen die ’langsamen’ Connexinröhren zu sein“, erklärt Maria Kreuzberg. „Wir fanden sie vor allem im Sinus- und AV-Knoten des Reizleitungssystem im Mausherzen.“ Bei Nagern, die dieses Connexin aufgrund eines gentechnischen Eingriffs nicht bilden konnten, funktionierte das Herz unter normalen Bedingungen ohne Probleme. Anders jedoch, wenn die Wissenschaftler an der Medizinischen Klinik II in diesen Mäusen ein so genanntes Vorhofflimmern hervorriefen. Dabei ziehen sich die Vorhöfe in hoher Frequenz unkoordiniert zusammen; der Bluttransport zu den Hauptkammern ist dadurch stark eingeschränkt. Lebensbedrohlich ist dieser Zustand nicht – zumindest, solange die Kammern normal arbeiten.

Bei Mäusen hat ein Vorhofflimmern normalerweise kaum Auswirkungen auf die Schlagfrequenz der Hauptkammern – wahrscheinlich, weil die „langsamen“ Connexinröhren beide Kammer-Systeme weitgehend voneinander entkoppeln. „Bei den Tieren ohne ’langsame’ Connexinröhren ließ das Vorhofflimmern jedoch auch die Kammerfrequenz ansteigen“, sagt Maria Kreuzberg. Die Koordination des Herzschlages scheint bei den gentechnisch veränderten Nagern nicht richtig zu klappen; Schlagfrequenz-Störungen könnten sich bei ihnen leichter von den Vorhöfen zu Hauptkammern ausbreiten. „Das kann unter Umständen gefährliche Konsequenzen haben“, sagt Kreuzberg. „So könnten die Hauptkammern durch eine schnellere Überleitung lebensbedrohliche Arrhythmien entwickeln. In Zukunft wollen wir herausfinden, ob ’langsame’ Connexinröhren im Menschherzen eine ähnliche Bedeutung wie im Mausherzen haben.“

Es gibt auch Menschen, bei denen die Schutzfunktion des AV-Knotens durch eine Art „Kurzschluss“ umgangen wird. Eine solche zusätzliche Leitungsbahn besteht beim „Wolff-Parkinson-White-Syndrom“. Hauptsymptom ist ein plötzlich auftretendes extremes Herzrasen, das zu so genanntem Kammerflimmern führen kann. Im Gegensatz zum Vorhofflimmern beim gesunden AV-Knoten ist dieser Zustand lebensgefährlich, da der Blutfluss gänzlich zum Erliegen kommen kann.

Kontakt:
Institut für Genetik:
Maria Kreuzberg
Telefon: 0228/73-6841
E-Mail: maria.kreuzberg@uni-bonn.de
oder Professor Dr. Klaus Willecke
Telefon: 0228/73-4210
E-Mail: genetik@uni-bonn.de
Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Bonn:
Dr. Jan Schrickel
Dr. Thorsten Lewalter
Telefon: 0228/228-6670
E-mail: jan.schrickel@ukb.uni-bonn.de

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Frank Luerweg idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bonn.de/

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