Synthetisches Molekül birgt Hoffnung für Diabetiker

Am Institut für Biochemie der RWTH Aachen wurde ein Molekül entwickelt, das zusammen mit Insulin Krankheitssymptome von Diabetikern abschwächen könnte


Was Dr. Aphrodite Kapurniotu und ihre Forschergruppe am Institut für Biochemie an der RWTH Aachen entwickelten, ist noch reine Grundlagenforschung. Doch bereits in diesem Stadium weckt das neue, bifunktionale Molekül „IAPP-Mimetikum“ Hoffnungen, einmal die Behandlung von Diabetikern mit Insulin unterstützen und Nebenwirkungen der Krankheit wesentlich abmildern zu können.

Die Arbeit der Wissenschaftler begann damit, die Mechanismen von Diabetes mellitus Typ II zu analysieren. An der auch unter dem Namen „Altersdiabetes“ bekannten Stoffwechselstörung leiden weltweit mehr als 150 Millionen Men-schen, allein in Deutschland gibt es 5 Millionen Patienten, darunter mittlerweile vermehrt Kinder und Jugendliche. Die Biochemiker nahmen das schwerlösliche Bauchspeicheldrüsenhormon IAPP, das sich um den Zuckerstoffwechsel kümmert, unter die Lupe und entwarfen eine neue und leicht veränderte Form. Das neu designte Molekül soll das natürliche Hormon nachahmen und trägt deshalb den Namen „IAPP-Mimetikum“. Das griechische Wort „Mimisi“ bedeutet Nachahmung.

Das neue Molekül wirkt in zweifacher Hinsicht: Es ist einerseits biologisch aktiv wie natürliches IAPP und gleichzeitig viel löslicher, was eine medizinische Anwendung erlauben würde. Andererseits tritt es mit dem körpereigenen IAPP in Interaktion. Dadurch wird ein Effekt verhindert, der bei 95 Prozent aller Diabetiker eintritt: Ihre nativen IAPP Moleküle ballen sich zusammen und entwickeln so Konglomerate, die die Insulin produzierenden Zellen der Bauspeicheldrüse zerstören.

„Noch ist es zu früh für Aussagen über mögliche Medikamente. Unser Stoff wird sicher nicht die Einnahme von Insulin ersetzen können, aber möglicherweise mit ihm in Kombination angewendet Krankheitssymptome abschwächen und zu einer effektiveren Behandlung des Diabetes beitragen können“, erläutert Dr. Aphrodite Kapurniotu. Bei gesunden Menschen sorgt das vom Körper produzierte Insulin zusammen mit IAPP und Glukagon dafür, dass der Blutzuckerspiegel normal bleibt. Diabetiker, die mit Insulin behandelt werden, leiden oft unter hohen Schwankungen des Blutzuckerspiegels und können das Risiko, eine Über- oder Unterzuckerung zu erleiden, bisher nur wenig beeinflussen. Das neu entworfene und dem natürlichen Stoff sehr ähnliche „IAPP-Mimetikum“ ist so konfiguriert, dass es die Funktion des nativen IAPP übernehmen könnte und somit die Regulation des Blutzuckerspiegels übernähme.

Die sehr hoffnungsvollen Ergebnisse basieren im Moment auf Untersuchungen, die auf Zellebene durchgeführt wurden. Das nach einem komplett neuen Konzept entwickelte bifunktionale Molekül wird zurzeit international zum Patent angemeldet – ein flankierendes Patent ist bereits in den USA erteilt – und seine Wirkung soll bald in einem nächsten Schritt im Rahmen von Tierversuchen getestet werden. Die Fachwelt erfuhr erstmals durch die aktuelle Ausgabe des renommierten fachübergreifenden Journals „Proceedings of the National Academy of Sciences USA“ von der Entwicklung der Aachener Forscher.

Weitere Informationen:
PD Dr. rer. Nat. Aphrodite Kapurniotu
Labor für Bioorganische und Medizinische Chemie
Institut für Biochemie
Pauwelstraße 30
52074 Aachen
Telefon: 0241 – 80 8 88 44
E-Mail: akapurniotu@ukaachen.de

i. A. Sabine Busse

Media Contact

Thomas von Salzen idw

Weitere Informationen:

http://www.rwth-aachen.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer