Wie ein Duft im Fliegenhirn Gefahr signalisiert

Diese Taufliege wurde unter dem Objektiv eines Mikroskops so befestigt, dass durch eine kleine Öffnung in ihrer Kopfkapsel das Gehirn sichtbar wird. Das Tier ist genetisch so verändert, dass es in ausgewählten Nervenzellen ein Fluoreszenz-Protein produziert, und zwar abhängig von der Aktivität der Zellen. So lassen sich die Gehirnaktivitäten im Bild festhalten. Foto: Thomas Riemensperger, Thomas Völler

Nur wenige der vielen Sinnesreize, die tagtäglich aus der Umwelt auf Menschen oder Tiere einströmen, sind für deren Verhalten und Überleben von Belang. Wie aber machen diese Reize im Gehirn deutlich, dass sie besonders wichtig sind? Auf diese Frage haben Forscher vom Biozentrum der Uni Würzburg eine Antwort gefunden, die sie in der Zeitschrift „Current Biology“ beschreiben.

Die Umwelt wird im Gehirn des Menschen durch die Aktivität vieler tausender Nervenzellen abgebildet. Permanent werden dort Farben, Formen, Düfte und andere Reize registriert. Die meisten davon sind für das Verhalten wenig bedeutsam. Manche Reize haben aber eine ganz besondere Bedeutung und rufen eine Reaktion hervor. Der Duft von Essen etwa lässt uns das Wasser im Mund zusammenlaufen – damit bereitet sich der Organismus auf den Verdauungsprozess vor.

Diese bedeutsamen Reize müssen nicht angeboren sein, sondern können auch erlernt werden. „Wir haben uns gefragt, wie die Relevanz eines Reizes im Gehirn repräsentiert wird“, sagt der Würzburger Forscher André Fiala. Um dies auf der Ebene einzelner Nervenzellen zu untersuchen, verwendeten die Wissenschaftler Fruchtfliegen.

Die nur gut zwei Millimeter großen Fliegen haben ein Gehirn, das ganz ähnliche Aufgaben lösen kann wie das Denkorgan des Menschen. Bekommen die Insekten in einer Art Training einen neutralen Geruch vorgesetzt und gleichzeitig einen kleinen Elektroschock verpasst, so gehen sie dem Duft bald aus dem Weg. Sie lernen, den zunächst unbedeutenden Reiz mit Gefahr zu assoziieren.

„Während eines solchen Trainings haben wir mit mikroskopischen Methoden die Aktivität ganz bestimmter Nervenzellen im Gehirn der Fliegen beobachtet“, erklärt Fiala. Diese Zellen, die den Botenstoff Dopamin ausschütten, sind bei einem Elektroschock besonders aktiv. Nachdem die Fliege gelernt hat, dass ein Duft diese gefährliche Situation vorhersagt, antworten die Zellen verstärkt auf den Duft hin: Dieser hat plötzlich eine Bedeutung erlangt, und die Nervenzellen schütten nun deutlich länger Dopamin aus als vorher.

Menschengehirne arbeiten laut Fiala ganz ähnlich. Auch sie schütten Dopamin aus, wenn ein bedeutsamer Reiz auftritt. Allerdings seien es bei Säugetieren belohnende Reize, die diese Nervenzellen aktivieren. Dennoch scheinen die Prinzipien, wie Reize bewertet und im Gehirn verarbeitet werden, bei Fliegen ähnlich zu funktionieren wie bei Menschen. „Dieser Befund erlaubt uns nun, die Vorgänge im Fliegengehirn genauer unter die Lupe zu nehmen und dadurch etwas über unser eigenes Gehirn zu lernen“, so der Würzburger Forscher.

Thomas Riemensperger, Thomas Völler, Patrick Stock, Erich Buchner und André Fiala: „Punishment Prediction by Dopaminergic Neurons in Drosophila“, Current Biology, Vol. 15 (21), 8. November 2005, Seiten 1953 – 1960.

Weitere Informationen: Dr. André Fiala, T (0931) 888-4482, Fax (0931) 888-4452, E-Mail: andre.fiala@biozentrum.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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