Hormon des Vertrauens reduziert die Angst

Oxytocin bestimmt Art und Weise des sozialen Umgangs

Jüngste Untersuchungen einer internationalen Forschergruppe um Peter Kirsch von der Universität Gießen und Forschern des National Institute of Mental Health (NIMH)in Bethesda haben deutlich gezeigt, dass das vertrauensbildende Hormon Oxytocin die Angst beim Menschen reduzieren kann. Der chemische Botenstoff scheint seine Wirkung in angstrelevanten Hirnstrukturen auszuüben. Die Wissenschaftler hoffen nun, dass das Wissen um das Hormon auch die Basis für neue Behandlungsmöglichkeiten gegen psychische Störungen wie Autismus bieten kann.

Erst im Juni hatten Forscher der Universität Zürich gezeigt, dass Oxytocin das Vertrauen in andere Menschen verstärken kann. Bekannt war Forschern aus dem Tierreich, dass der Botenstoff eine Schlüsselrolle für die Steuerung von komplexen emotionalen und sozialen Verhaltensweisen spielt. Vom Oxytocin-Niveau im Gehirn ist zum Beispiel abhängig, inwieweit Tiere mütterliche Fürsorge, Bindungsverhalten oder Aggressivität zeigen. Das Hormon reduziert auch bei Tieren die Angst und verändert ihre Fähigkeit, Furchtreaktionen zu lernen und zu verlernen.

Um herauszufinden, wie diese Wirkung im Gehirn entsteht, führten die Wissenschaftler eine kernspintomographische Studie durch. „Die Bedeutung von Oxytocin für das menschliche Verhalten ist in den letzten Monaten so deutlich geworden, dass es dringend notwendig war, nach den neurobiologischen Ursachen dieser Wirkung zu suchen“ so der deutsche Studienleiter Peter Kirsch im pressetext-Interview. An nur 15 männlichen Probanden konnten die Giessener Forscher feststellen, dass nur geringe Mengen von Oxytocin über ein Nasenspray aufgenommen, bereits zu einer geringeren Aktivität der Amygdala – der Furchtregulation im Gehirn – aufwiesen, als bei einer vorherigen Einnahme eines Placebopräparates. Die Probanden mussten Bilder mit angstrelevantem Inhalt anschauen. „Die Befunde waren bereits bei einer kleinen Gruppe überzeugend“, meint Kirsch. Weitere Untersuchungen werden demnächst an einer weiblichen Probandengruppe durchgeführt. Diese Reduzierung der Aktivität der Amygdala war bei der Betrachtung von angsterfüllten Gesichtern besonders deutlich ausgeprägt. Darüber hinaus zeigte sich, dass die Oxytocingabe die funktionelle Verbindung zwischen der Amygdala und Regionen im Hirnstamm, die für die Regulation von körperlichen Angstreaktionen verantwortlich sind, verringerte.

„Wie wir sozial miteinander umgehen ist also zu einem wichtigen Teil von der Oxytocinausschüttung abhängig, wie funktionstüchtig unser Oxytocin-System ist, entscheiden auch frühe Erfahrungen und wo es seine Wirkung entfaltet, zeigt nun erstmals unsere Studie“ erklärt Kirsch. Neben den grundlagenwissenschaftlichen Aspekten sollen die Befunde aber auch Basis für Ansätze sein, neue Behandlungsstrategien für psychische Störungen, die mit einer übermäßigen Angst, ausgelöst durch eine überaktivierte Amygdala, verbunden sind, zu entwickeln. Erste Anfragen seitens der Pharmaunternehmen gebe es bereits. „Die Kollegen vom NIMH wollen Oxytocin-Anwendungen bei autistischen Kindern untersuchen“, so Kirsch abschließend. In einer früheren Studie konnten Forscher zeigen, dass Kinder mit Autismus eine erhöhte Aktivierung der Amygdala bei der Betrachtung von Gesichtern zeigten.

Eine Arbeitsgruppe von US-Medizinern hat erst vor kurzem herausgefunden, dass Kinder, die direkt nach der Geburt ohne mütterliche Fürsorge geblieben sind, bei Interaktion mit ihrer Adoptivmutter weniger Oxytocin ausschütten als Kinder, die behütet aufgewachsen sind.

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Wolfgang Weitlaner pressetext.austria

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