Der moderne Mensch: ein genetisches Mosaik

Fünf Millionen Jahre Evolution: Forscher zeichnen auf dem Berliner Wissenschaftssommer ein Familienbild unserer Spezies.

„Deutsch sein heißt, einen deutschen Pass zu haben und nichts anderes“, erklärte Professor Svante Pääbo vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie auf einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung im Rahmen des Berliner Wissenschaftssommers. Es ist nicht möglich, einen Deutschen aufgrund seiner genetischen Abstammung zu definieren.

Wie gering die genetischen Unterschiede zwischen Menschen sind, selbst wenn sich Hautfarbe, Haarstruktur und Gesichtsform unterscheiden, belegen Untersuchungen von Pääbo und seinen Mitarbeitern. Die Forscher haben bestimmte Abschnitte im Erbgut von Menschen untersucht, die insgesamt 17 verschiedenen Sprachfamilien angehörten. Resultat: Nur 0,3 Prozent der DNA-Bausteine waren variabel. Außerdem fanden die Wissenschaftler bestimmte Variationen überall auf der Welt, bei den afrikanischen Hausa ebenso wie bei Iren. „Jeder Mensch ist genetisch betrachtet ein Mosaik und jedes Steinchen, sprich: Gen, hat eine andere Geschichte“, erklärte Pääbo. So kann beispielsweise ein Holländer, wenn man bestimmte Gene betrachtet, mit einem Chinesen enger verwandt sein als mit einem Landsmann. Während sich Schimpansen im Durchschnitt in 13,4 Bausteinen ihrer Erbsubstanz unterscheiden, entdeckten die Forscher bei den Menschen im Schnitt nur 3,7 Bausteine, die variabel waren.

Auffallend ist allerdings, dass die genetische Variabilität bei Afrikanern deutlich größer ist als bei allen übrigen Menschen. Der Grund: „Vor 200.000 oder 100.000 Jahren, so genau weiß das bislang kein Forscher, hat eine Gruppe von Homo sapiens sapiens Afrika verlassen. Das waren die Urahnen der heutigen Menschen, die in den darauffolgenden Jahrzehntausenden die anderen Kontinente besiedelten“, erklärt Pääbo. Darum seien die Nachkommen dieser Gruppe, eben die heutigen Menschen, genetisch wenig unterschiedlich. „Genetisch gesehen, sind wir daher alle Afrikaner. Einige leben auf diesem Kontinent, andere eben im Exil.“

Auch Knochenfunde bestätigen diese „Out of Africa-Hypothese“, der die meisten Anthropologen anhängen. Dieser zu Folge hat sich die Gattung Homo gleich mehrfach von Afrika aus über die Welt ausgebreitet.

Begonnen hatte die Entwicklung im Südosten des Kontinents vor rund fünf Millionen Jahren. Vormenschen (Australopithecinen) lernten den aufrechten Gang, bewegten sich aber auch noch kletternd fort. Ihr Gehirn war nicht größer als das von Menschenaffen. Eine Werkzeugkultur fehlte, also die Fähigkeit, Werkzeuge selbst herzustellen.

Während sich diese „Südaffen“ – das bedeutet Australopithecus -in verschiedene Arten weiter aufspalteten, entwickelte sich vor 2,5 Millionen Jahren – quasi parallel – die Gattung Homo. Deren erster Vertreter, Homo rudolfensis, ging ständig aufrecht. Sein Gehirn wurde größer, es begann die kulturelle Evolution: Kommunikation, Sozialverhalten, Werkzeugkultur entwickelten sich. Auch die Gattung Homo spaltete sich – abhängig von geografischen und klimatischen Bedingungen – in verschiedene Typen auf. Darum spricht Professor Friedemann Schrenk vom Zoologischen Institut der Universität Frankfurt auch lieber vom „Stammbusch“ des modernen Menschen, als von dessen Stammbaum.

„Vor zwei Millionen Jahren, möglicherweise sogar früher, kam es zur ersten Auswanderungswelle von Homo erectus „, erklärte Schrenk. Aus ihm ging im nahen Osten und in Europa der Neanderthaler wahrscheinlich hervor.

Ob sich die Neanderthaler dann mit modernen Menschen (Homo sapiens sapiens) vermischte, als diese – aus Afrika kommend – vor rund 50.000 Jahren zunächst den mittleren Osten und später dann Asien, Australien und Europa besiedelten, wissen die Forscher nicht. Sicher ist nur, dass Neanderthaler und Homo sapiens über tausende von Jahren hinweg Zeitgenossen waren.

Dass ein Mensch mehr ist als die Summe seiner Gene, betonte der Würzburger Humangenetiker Professor Holger Höhn. „Der Mensch ist das Produkt aus genetischem Erbe, das auf allen Ebenen durch äußere Faktoren beeinflusst wird, und seiner kulturellen Umgebung, in die er hinein geboren wird.“ Darum dürfe auf keinen Fall von äußerlichen Merkmalen eines Menschen, die ohnehin nicht tiefer reichen als die Haut, auf dessen Fähigkeiten und Verhalten geschlossen werden. Höhn: „Dies wäre ein fataler Reduktionismus.“

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Barbara Ritzert idw

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