Die Gelatine – nicht nur für Gummibärchen

Bei der „Gelatin Conference 2005“ an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg wurden neue Felder der Gelatine-Forschung erschlossen – BSE-Erreger in Gelatine nicht nachweisbar

Gelatine – ein vielseitig einsetzbares Produkt, das in Nahrungsmitteln, Filmen, Fotocolorpapier oder Medikamentenkapseln seine Verwendung findet. Kein Wunder, dass sich dieser Tage bei der „Gelatin Conference 2005“ der International Advanced Gelatin Science Society (IAGS) nahezu 100 Wissenschaftler aus aller Welt in der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität Gedanken über diese Substanz machten. Auch wenn die Herstellungsprozedur von Gelatine seit weit mehr als einem Jahrhundert bekannt ist, so verbergen sich hinter diesem meistens aus Schweinehaut, Schweine- oder Rinderknochen gewonnenen Produkt doch noch viele ungeklärte Eigenschaften.

Besonders in den letzten zwei Jahrzehnten ist durch das Auftreten der bovinen spongiformen Encephalopathie (BSE) bei Rindern ein ganz neuer Aspekt in der Gelatine-Forschung hinzugekommen. „1986 wurde BSE erstmals entdeckt und bereits 1993 hatte diese Erkrankung ihren Höhepunkt erreicht“, schilderte Professor Konrad Beyreuther vom Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg den Verlauf dieser Rinderkrankheit in Großbritannien. So wurden dort beispielsweise 1993 etwa tausend Fälle von an BSE erkrankten Rindern wöchentlich gemeldet. Im gesamten Jahr 2004 waren es allerdings nur noch 309 Rinder, bei denen diese das Gehirn zersetzende Erkrankung nachgewiesen wurde. 1995 wurde schließlich erkannt, dass BSE in Form einer neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit auch auf den Menschen übertragbar ist. Bis heute erkrankten daran 174 Menschen, davon allein in Großbritannien 155.

Der BSE-Erreger, ein abnormales Protein, ist extrem resistent gegenüber Hitze, Sterilisation oder Sonnenlicht. Der Frage, ob durch den Gelatine-Herstellungsprozess der Erreger zerstört werden kann, ging Dr. Adrianus Grobben von der Universität Rotterdam in seinem Vortrag nach. Erste Tests mit künstlich infiziertem Material zeigten, dass nach dessen Behandlung mit Salzsäure und Calciumhydroxid, zwei Substanzen, die auch bei der Gelatine-Herstellung angewendet werden, kein Erreger mehr nachweisbar war. „An dem hierbei angewandten Test entzündete sich aber bald Kritik, da diese Versuche nur einen Teil der Gelatine-Herstellung repräsentieren“, erklärte Grobben. So wurden diese Versuche unter exakter Berücksichtigung des Gelatine-Herstellungsverfahrens wiederholt. Erneut zeigte sich, dass kein Erreger mehr auffindbar war. Besonders infektiöses Material, wie beispielsweise die Wirbelsäule, gelangt ohnehin seit einigen Jahren nicht mehr in den Gelatine-Herstellungsprozess, da es im Schlachthof bereits abgetrennt wird.

Ein Umstand, der nicht nur für die Nahrungsmittelindustrie von größter Wichtigkeit ist, denn auch in der Pharmaindustrie wird Gelatine, beispielsweise in Medikamentenkapseln, eingesetzt. Doch die Verwendung von aus Schweinehaut oder Rinderknochen hergestellter Gelatine bringt gerade für die Pharmaindustrie noch eine andere Problematik mit sich. So können viele Menschen aus religiösen Gründen derartige Gelatine nicht verzehren und auch Vegetarier möchten keine aus Tieren hergestellte Produkte zu sich nehmen. Hier konnte Dr. Anthony Dyas, von der Universität Liverpool, mit aus Fisch-Knorpel produzierter Gelatine eine gute Alternative aufzeigen.

„Mit einigen Vorträgen wurden ganz neue Felder der Gelatine-Forschung erschlossen und dies wird die internationale Gelatineforschung deutlich beleben“, hob denn auch Dr. Peter Koepff, der Vorsitzende der IAGS, zum Abschluss der Konferenz hervor. Und noch ein anderer Aspekt hatte sich in der Diskussion der Teilnehmer ergeben. Denn die in den Versuchen verwendete Gelatine ist nicht immer exakt definiert und die Laborergebnisse entsprechend nicht nachprüfbar. Deshalb forderte Peter Koepff die Kongressteilnehmer aus der Industrie auf, gut definierte Proben der von ihnen hergestellten Gelatine als Reservierungen für die IAGS und für die Forschung auf Abruf bereitzustellen, wie es zwei große Gelatineerzeuger bereits vorbildlicherweise getan hatten. Diese Proben könnten dann allen Forschern als Referenzmaterial zur Verfügung gestellt werden.
Stefan Zeeh

Rückfragen bitte an:
Dr. Peter Koepff
International Advanced Gelatin Science Society
Ziegelhäuser Landstr. 1, 69120 Heidelberg
Tel. 06221 915980, Fax 9159825
peter.koepff@gelinova.com

Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de

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