Ernährung auf dem Holzweg

Die Boden fressenden Termiten in den Tropen haben einen verlängerten Darm, der in mehreren Kammern gegliedert und extrem alkalisch ist. Bild: MPI für terrestrische Mikrobiologie

Warum Termiten eine wichtige Rolle im globalen Kohlenstoff-Kreislauf spielen / Neue Ausgabe von MaxPlanckForschung erschienen

Drei bis vier Millimeter lang und weniger als einen Millimeter dick – derart unscheinbar präsentiert sich der Darm einer Termite. Doch dieses winzige Organ hat´s in sich: Es beherbergt hunderte verschiedene Arten von Mikroorganismen, die als Verdauungshelfer arbeiten und Termiten in die Lage versetzen, von Holz zu leben. So wandern jährlich mehrere Milliarden Tonnen Lignocellulose durch Termitendärme und werden dort abgebaut. Damit spielen Termiten eine bedeutende Rolle im globalen Kohlenstoff-Kreislauf. Andreas Brune, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg, beschreibt in MaxPlanckForschung 2/20005, mit welchen Methoden sich Einblick in das ungewöhnliche und noch weithin unbekannte „Biotop Termitendarm“ gewinnen lässt.

Im Gegensatz zu anderen Insekten haben Termiten im Lauf der Evolution gelernt, den Celluloseanteil des Holzes bereits im Mitteldarm mit eigenen Enzymen anzugreifen. Doch der Großteil der ungewöhnlichen Verdauungsleistung geht bei allen primitiveren Arten auf das Konto von kleinen begeißelten Einzellern, so genannten Flagellaten, die den Enddarm der Insekten dicht besiedeln.

Bevor diese jedoch ihr Werk verrichten können, muss die Termite das Holz mithilfe
ihrer Mundwerkzeuge und des kräftigen Kaumagens zu winzigen Partikeln zermahlen. Dabei wird nicht nur die Oberfläche der Holzpartikel extrem vergrößert, sondern auch das komplexe Gerüst aus aromatischen Verbindungen (Ligningerüst) aufgebrochen, das verholzten Zellwänden ihre außerordentliche mechanische Stabilität verleiht und die Hauptbestandteile des Holzes (Cellulose und Hemicellulosen) vor dem enzymatischen Abbau schützt.

Ist das Holz derart vorbereitet, können die Flagellaten die Cellulose und Hemicellulosen in ihr Zellinneres aufnehmen und zügig verdauen. Unterstützt werden sie dabei von einer Vielzahl anderer Mikroorganismen (Bakterien), die neben
Holzbestandteilen auch Stoffwechselprodukte der Flagellaten verwerten. Endprodukte des mikrobiellen Stoffwechsels, aber auch die Mikroorganismen selbst, dienen wiederum den Termiten als Nahrung.

Das Interesse der Mikrobiologen wird dadurch gefesselt, dass sich in dem nur rund ein tausendstel Milliliter fassenden Organ hunderte verschiedene Arten von Mikroorganismen tummeln. Wie diese Lebensgemeinschaft auf engstem Raum organisiert ist, welche Stoffwechselprozesse dort im Einzelnen ablaufen und welche Organismen für die verschiedenen Umsetzungen zuständig sind, ist noch kaum bekannt. Der Termitendarm ist damit ein spannendes Modell für den mikrobiellen Ökologen: An ihm lassen sich allgemeine Prinzipien mikrobieller Lebensgemeinschaften exemplarisch und – weil es sich um ein kleines, abgeschlossenes System handelt – relativ einfach untersuchen.

Das winzige Organ ist aber auch der Ort, an dem sich ein signifikanter Teil des globalen Kohlenstoffkreislaufs vollzieht. Dabei spielen die Zersetzung von Holz und die vorübergehende Stabilisierung des Kohlenstoffs in Form von Humus eine zentrale Rolle. Im Boden dauert dieser Prozess Jahre bis Jahrzehnte; entsprechende Studien mit Bodenmikroben gestalten sich deshalb vergleichsweise langwierig. Termitendärme sind jedoch „Hot Spots“ mikrobieller Aktivität: Das extrem fein zerkleinerte Holz wird hier innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen verdaut – einer der größten Vorteile für Experimente im Labor.

Die meisten Mikroorganismen des Termitendarms haben sich allen bisherigen Kultivierungsversuchen schlichtweg entzogen haben. Dabei wäre es extrem wichtig, mehr über diese „unkultivierte Mehrheit“ zu erfahren, hinter der sich bisher völlig unbekannte bakterielle Entwicklungslinien verbergen, die häufig in enger Assoziation mit den vielen tausend Flagellaten leben. In der Tat sind viele der Einzeller im Termitendarm eng mit Bakterien vergesellschaftet. Manche tragen ihre speziellen Symbionten wie eine Strickweste. Die unzähligen Bakterien im Zellinnern mancher Flagellaten, die entfernt an Zellorganellen erinnern, bilden sogar eine eigene, nur in Termitendärmen anzutreffende Entwicklungslinie.

Ein gänzlich anders gearteter Bioreaktor ist der Darm der Boden fressenden Termiten, welche die fortgeschrittenere Entwicklungslinie dieser Insektenordnung repräsentieren. Sie leben hauptsächlich in den Tropen und stellen mindestens die Hälfte aller Termiten weltweit dar. In Gebieten, in denen es sehr trocken ist, ersetzen diese Insekten quasi den Regenwurm. Statt Holz fressen sie vor allem Humus, manche Arten auch Tierdung. Sie haben deshalb eine enorme ökologische Bedeutung für den Kohlenstoffkreislauf im Boden – ein weiterer Aspekt, der Termitendärme zu reizvollen Objekten der Forschung macht.

Eine ausführliche Version des Textes dieser Pressemitteilung finden Sie in der neuesten Ausgabe von MaxPlanckForschung (2/2005). Das 96 Seiten umfassende Heft beschäftigt sich im Fokus mit dem Thema „Italienische Kunstgeschichte“ und berichtet darüber, was Wissenschaftler an den Instituten in Rom und Florenz aus alten Architekturzeichnungen herauslesen („Wie Bauten einst gemeistert wurden“), wie sie an einer Datenbank zur Historienmalerei arbeiten („Per Mausklick ins Barock“), warum sie Sakralbauten in Siena studieren („Kirchen – steinerne Archive der Geschichte“) und was die Restaurierung der Casa Zuccari für die Fachwelt bedeutet („Eine Rarität aus der Renaissance“). Die Rubrik „Zur Sache“ gibt Einblick in die Komplexität des menschlichen Gehirns, der Artikel „Mit dem Rechnernetz auf Wellenfang“ schildert die rasante Entwicklung des Grid-Computing. Weitere Themen sind unter anderem: „Wissenschaft ohne Gewissen“ (die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus) und „Ein Drittel Kind Vorsprung“ (Geburtenraten und Familienplanung in Europa).

Dem Heft liegen ein BIOMAX („Kontrollierter Vielfraß“) und ein GEOMAX („Staub im Klimarechner“) bei.

MaxPlanckForschung erscheint viermal pro Jahr. Das Wissenschaftsmagazin kann bei der Pressestelle der Max-Planck-Gesellschaft oder über unser Webformular abonniert werden. Der Bezug ist kostenfrei.

Media Contact

Dr. Andreas Trepte Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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