Genetische Ursache des Nierenversagens bei Diabetes entschlüsselt

Mini-Eiweiß Carnosin schützt die Niere / Gentests für Erkrankungsrisiko in Vorbereitung

Genetiker des Universitätsklinikums Heidelberg haben in Zusammenarbeit mit Diabetes-Experten aus Mannheim, den Niederlanden und der Tschechischen Republik ein Gen entschlüsselt, dessen unterschiedliche Varianten bei Zuckerkranken die Entwicklung des Nierenversagens begünstigen oder davor schützen.

Nun können voraussichtlich Gentests entwickelt werden, mit deren Hilfe sich das Risiko ermitteln lässt, ob ein Diabetiker Nierenschäden davontragen wird. Rund 40 Prozent aller Diabetiker entwickeln ein chronisches Nierenversagen. Bei den meisten dürften genetische Faktoren eine wichtige Rolle spielen.

Produktion des Enzyms Carnosinase abhängig von Gen CNDP1

In der August-Ausgabe von „Diabetes“, der international wichtigsten Fachzeitschrift für Diabetesforschung, beschreiben Dr. Bart Janssen und seine Kollegen das so genannte „CNDP1-Gen“ auf Chromosom 18, das für die Bildung des Enzyms Carnosinase zuständig ist. Dieses Enzym spaltet das Mini-Eiweiß Carnosin. In Versuchen mit Nierenzellen konnte die Forschergruppe zeigen, dass ein hoher Anteil von Carnosin im Blut Nierenzellschäden verhindern kann.

„Viel Carnosin findet sich immer dann, wenn entsprechend wenig aufspaltende Carnosinase vorhanden ist“, erklärt Dr. Janssen, der im Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. Claus Bartram) arbeitet. In welchem Umfang das Enzym Carnosinase produziert und freigesetzt wird, hängt wiederum von der Anzahl und Kombination bestimmter Bausteine der Erbsubstanz, der DNA-Basen im Gen CNDP1 ab.

Bis zu 40 Prozent aller Diabetiker leiden unter Nierenschäden

In Europa gibt es schätzungsweise bis zu 60 Millionen Diabetiker; fast 40 Prozent entwickeln als Spätfolge ihrer Erkrankung chronische Nierenschäden, die so genannte diabetische Nephropathie, die oft eine Dialyse oder Nierentransplantation erforderlich macht. Warum bleibt die Mehrheit der Diabetiker vor diesem Schicksal verschont? Bereits vor drei Jahren hatte Dr. Janssen zusammen mit den Nephrologen Dr. Irfan Vardarli und Prof. Dr. Fokko van der Woude gezeigt, dass die Resistenz gegen Nierenschäden bei Diabetes erblich und auf dem Chromosom 18 lokalisiert ist.

Die Heidelberger Genetiker haben nun in Untersuchungen an Patienten festgestellt, dass es drei verschiedene Varianten dieses Gens gibt. Die längste Variante hat 2191 DNA Basen und ist wahrscheinlich die aktivste, das heißt: Es wird viel Enzym produziert. Die anderen Varianten sind nur 2188 und 2185 Basen groß.

Diabetiker ohne Nierenbeteiligung haben das „Mannheim-Gen“

Die letzte Variante wird als ’Mannheim Variante’ bezeichnet, da sie erstmals bei einem Patienten aus Mannheim gefunden wurde. Diese Kurzform des Gens ist mit geringer Enzymproduktion assoziiert. Wie erwartet wurde bei Trägern dieser Variante vergleichsweise viel Carnosin im Blut gemessen, das die Nieren schützt.

Die Wissenschaftler stellten zudem in einer klinischen Studie fest: Diabetiker ohne Nierenbeteiligung haben überwiegend die Kurzform (Mannheim-Variante) des Gens; die längeren Gene finden sich hauptsächlich bei Patienten, die an diabetischer Nephropathie leiden.

Künftig wird es voraussichtlich möglich sein, mit einem Gentest das individuelle Risiko einer drohenden Nierenschädigung bei Diabetikern besser abzuschätzen. Forschungsarbeiten zur Vorbereitung eines Gentests durch die Wissenschaftlergruppe unter Heidelberger Führung werden derzeit durch die Europäische Union mit 1,8 Millionen Euro unterstützt.

Media Contact

Dr. Annette Tuffs idw

Weitere Informationen:

http://www.klinikum.uni-heidelberg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer