Sibirische Wälder speichern weniger Kohlenstoff als angenommen

Messturm in Cherskii auf einer Schwemmlandinsel des Kolyma-Flusses in Nordostsibirien. Bild: Max-Planck-Institut für Biogeochemie

Europäisches Wissenschaftler-Konsortium stellt umfassende Kohlenstoffbilanz der Taiga und Steppen Sibiriens vor

Eine detaillierte Kohlenstoffbilanz der borealen Wälder und angrenzenden Grasländer und Steppen Sibiriens hat heute das von der Europäischen Union geförderte Forschungskonsortium „TCOS-Siberia“ (Terrestrial Carbon Observing System – Siberia) vorgestellt. Das Ziel des Projektes ist es besser zu verstehen, wie sich die Kohlenstoffvorräte Sibiriens verändern werden, wenn sich das Erdklima erwärmt, die Permafrostböden auftauen und sich auch die Landnutzung, wie Holzschlag und Landwirtschaft, ändert. Unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena kamen die Wissenschaftler aus sieben EU-Staaten und der Russischen Föderation zu dem Ergebnis, dass die borealen Wälder Sibiriens eine wesentlich geringere Kohlenstoffsenke darstellen als bislang angenommen.

Im TCOS-Siberia-Projekt wurden von 2002 bis 2005 zwölf Forscherteams mit insgesamt 2,8 Mio. Euro gefördert. Sie erarbeiteten eine umfassende Kohlenstoffbilanz der borealen Wälder und angrenzenden Grasländer und Steppen Sibiriens. Den Wissenschaftlern ging es dabei nicht nur um die heutige Kohlenstoffbilanz selbst, sondern auch um ihre räumlichen und zeitlichen Veränderungen. Zudem versuchten die Forscher, die dieser Variabilität zugrunde liegenden Steuerungsprozesse zu bestimmen. Dazu wurden an neun Standorten in verschiedenen Ökosystemen Sibiriens Messtürme errichtet, an denen die Austauschflüsse des Kohlendioxids CO2 zwischen der Vegetation und der Atmosphäre mithilfe der Eddykovarianzmethode direkt und kontinuierlich erfasst werden.

Zudem führten die Wissenschaftler Messflüge durch: An sechs Standorten Sibiriens wurden auf diese Weise im zweiwöchigen Rhythmus vertikale Profile der CO2- Konzentration und anderer klimarelevanter Spurengase in der unteren Atmosphäre gemessen. Mithilfe numerischer Computer-Modelle des atmosphärischen Transports lassen sich daraus die großräumigen Quellen und Senken des CO2 bestimmen. Diese Langzeitmessungen wurden ergänzt durch begleitende Prozessstudien und Modellsimulationen.

„Trotz der enormen logistischen Herausforderungen ist es gelungen, über den Projektzeitraum eine weitgehend lückenlose Aufzeichnungen der Austauschflüsse und atmosphärischen Spurengaskonzentrationen in Sibirien zu erhalten,“ so der Koordinator des Projektes, Prof. Dr. Martin Heimann vom Jenaer Max-Planck-Institut für Biogeochemie.

Eine erste Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass die borealen Wälder Sibiriens eine wesentlich kleinere Kohlenstoffsenke darstellen als allgemein vermutet, nämlich weniger als 20 Prozent der fossilen CO2-Emissionen der Russischen Föderation. Die Kohlenstoffbilanz schwankt sehr stark von Jahr zu Jahr wegen der großen Variabilität des Klimas und der unterschiedlichen Häufigkeit von Wald- und Steppenbränden.

Ein Vergleich ähnlicher Ökosysteme unter unterschiedlichen Klimabedingungen zeigt, dass eine Temperaturerhöhung primär wegen der Verlängerung der Vegetationsperiode zunächst zu mehr Kohlenstoffspeicherung führt. Ob sich allerdings dieser Trend bei einer längerfristigen Temperaturerhöhung hält, lässt sich auf Grund der kurzen Projektlaufzeit noch nicht schlüssig belegen. Die an den borealen Wald im Süden angrenzenden Grasländer und Steppen erwiesen sich hingegen als eine substantielle CO2-Senke.

Dieser Befund ist auf die Änderung der Landnutzung seit dem Ende der Sowjetunion zurückführen: Damals wurde in vielen dieser Regionen noch Landwirtschaft betrieben, während diese Flächen heute entweder verlassen sind oder nur noch als Weideland genutzt werden.

Um diese Studien auch nach Abschluss von TCOS-Siberia fortführen zu können, etabliert das Max-Planck-Institut unter dem Namen „ZOTTO“ gerade ein Nachfolgeprojekt: In Zentralsibirien, nahe dem Fluss Jenniseiy, entsteht eine Forschungsstation, das „Zotino Tall Tower Observatorium“ mit einem 300 Meter hohen Messturm. Ausgestattet mit Präzisionsinstrumenten zur Messung von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen soll die Station bereits 2006 in Betrieb gehen.

Media Contact

Prof. Dr. Martin Heimann Max-Planck-Gesellschaft

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