Hochsensibel: Bei Stress schaltet die Zelle auf Sparflamme

Extreme Bedingungen in der Umwelt werden auch auf zellulärer Ebene registriert und durch das Umlegen eines zentralen Schalters beantwortet. Dr. Christine Mayer und Kollegen aus der Abteilung Molekularbiologie der Zelle II des Deutschen Krebsforschungszentrums beschreiben in einer kürzlich veröffentlichten Ausgabe der Fachzeitschrift „Genes and Development“*, wie dieser Sensor, der eine Schutzfunktion für die Zelle übernimmt, funktioniert.

Menschen, die unter großem Stress stehen, neigen zuweilen dazu, ihre Arbeit niederzulegen und in Passivität zu verfallen. Ganz ähnlich reagiert die Zelle auf Umweltveränderungen – seien es Nährstoffknappheit, ungewöhnliche Temperaturen oder oxidativer Stress: Es kommt zu einer Kaskade von Prozessen, insbesondere zur Einstellung der Ribosomen-Produktion. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Transkriptionsinitiationsfaktor TIF-IA, der in den Kernkörperchen, den Nucleoli, vorkommt. Normalerweise sorgt er dafür, dass die RNS-Polymerase I an bestimmte Gene andockt und anhand dieser Bauanleitung ribosomale RNS produziert. Diese rRNS ist ein wesentlicher Bestandteil der Ribosomen, den Proteinfabriken der Zellen. Unter Stressbedingungen wird TIF-IA jedoch deaktiviert und wandert aus den Nucleoli ins Nucleoplasma. Kein funktionsfähiger TIF-IA – keine aktive Polymerase I – keine rRNS und damit erst recht keine Proteinproduktion mehr. Es ist, als würden bei einem Fahrzeughersteller die Förderbänder gestoppt und damit die Montage der Autos unterbunden.

Schuld an allem ist die Kinase JNK2, wie Dr. Christine Mayer gemeinsam mit Abteilungsleiterin Professor Ingrid Grummt und Holger Bierhoff herausfand. Das Enzym gibt das Stresssignal weiter, indem es TIF-IA phosporyliert. Bekannt war bisher, dass das Anhängen einer Phosphatgruppe den Transkriptionsfaktor aktiviert. Mayer entdeckte nun bei Untersuchungen an Zellkulturen, dass die Phosphorylierung – tritt sie an einer bestimmten Stelle, nämlich der Aminosäure Threonin 200, auf – TIF-IA außer Gefecht setzt. Ersetzte die Wissenschaftlerin Threonin 200 durch die Aminosäure Valin, wurde die Deaktivierung verhindert, TIF-IA blieb in den Kernkörperchen. Das Gleiche geschah, wenn die Kinase ausgeschaltet wurde. Das Ergebnis: Die Zelle wurde stressresistent, oder genauer gesagt, die RNS-Polymerase konnte ihre Funktion ungestört ausüben.

Mit ihren Untersuchungen haben Christine Mayer und ihre Kollegen den Faktor TIF-IA als eine wichtige Zielstruktur der Kinase JNK2 identifiziert. Das Wissen um die molekularen Vorgänge lässt darauf schließen, dass JNK2 bei zellulärem Stress eine Schutzfunktion übernimmt und die Zelle vor einer fehlerhaften rRNS-Synthese bewahrt.

*Christine Mayer, Holger Bierhoff, Ingrid Grummt: „The nucleolus as a stress sensor: JNK2 inactivates the transcription factor TIF-IA and down-regulates rRNA synthesis“, Genes & Development, 2005 Apr 15;19(8):933-41.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat die Aufgabe, die Mechanismen der Krebsentstehung systematisch zu untersuchen und Krebsrisikofaktoren zu erfassen. Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung sollen zu neuen Ansätzen in Vorbeugung, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen führen. Das Zentrum wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V.

Media Contact

Dr. Julia Rautenstrauch idw

Weitere Informationen:

http://www.dkfz.de

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