Vorgänge in Miniporen und innere Ordnung von Riesenmolekülen

NMR-Experte Gerd Buntkowsky ist neuer Professor für Physikalische Chemie an der Universität Jena

Die NMR-Spektroskopie ist Ausgangspunkt für die verschiedenen Forschungsaktivitäten von Prof. Dr. Gerd Buntkowsky, dem neuen Professor für Physikalische Chemie an der Universität Jena. NMR steht für Nuclear Magnetic Resonance, zu deutsch Kernspinresonanz. Bei diesem Verfahren wird das Verhalten des Kernspins, einer schnellen Drehung des Atomkerns um seine Achse, in starken gleichmäßigen Magnetfeldern untersucht. Die NMR ist heute eine der wichtigsten Methoden zur Aufklärung der Struktur vorzugsweise organischer Stoffe. „Wir gebrauchen NMR-Spektroskopie u. a., um so genannte weiche Materie zu untersuchen“, berichtet Buntkowsky. Darunter versteht man Feststoffe, deren Moleküle nicht hochgeordnet in einem Kristallgitter vorliegen. Typische Vertreter sind Biopolymere wie Eiweiße oder ihre katalytisch aktiven Vettern, die Enzyme. Sie bestehen aus vielen verschiedenen Grundbausteinen, die vielfältige Möglichkeiten haben, sich zu organisieren.

„Ihre geometrische Struktur entsteht durch das Wechselspiel von wasserabweisenden oder wasserliebenden Eigenschaften der Bausteine, ihren sterischen Wechselwirkungen, Ladungsverteilungen und nicht zuletzt Wasserstoffbrückenbindungen“, erklärt der Physiker, der von der Freien Universität Berlin an die Friedrich-Schiller-Universität wechselte. Momentan leitet er in diesem Bereich Projekte in einem Sonderforschungsbereich (SFB) zu Protein-Kofaktor-Wechselwirkungen und einem Graduiertenkolleg zu Wasserstoffbrücken. „Wir wollen die Aufklärung der molekularen Wirkmechanismen einiger komplexer Biomoleküle voranbringen, indem wir mit NMR die funktionellen Wasserstoffbrückenbindungen untersuchen“, so Buntkowsky. Diese Untersuchungen stehen im engen Zusammenhang mit den Zielen des Jenaer SFBs „Metallvermittelte Reaktionen nach dem Vorbild der Natur“.

Ausgefeilte NMR-Techniken benötigt Buntkowsky jedoch auch, um grundlegende Fragen zur Dynamik kondensierter Materie zu beantworten. So untersucht er beispielsweise, wie sich Gastmoleküle, z. B. Wasser, in den Poren von Silikatmaterialien verhalten. Der Porendurchmesser beträgt einen Nanometer. Legt man die typische Größe eines Wassermoleküls von etwa 0,1 Nanometer zugrunde, bedeutet das, dass nur einige Dutzend Moleküle quer in die Pore passen. Auch hier bilden sich wieder Wasserstoffbrückenbindungen aus, die sich mit NMR-Technicken untersuchen lassen. „Solche Experimente tragen zum Verständnis der Wasser-Oberflächenwechselwirkung auf molekularer Ebene bei“, erklärt Buntkowsky. Die porösen Silikatmaterialien, an denen er forscht, sind zudem für katalytische Anwendungen interessant, denn sie haben riesige innere Oberflächen, die sich relativ leicht chemisch modifizieren lassen. Zum Vergleich: Drei zuckerwürfelgroße Teile haben die innere Oberfläche eines Fußballfeldes. Mit seinen Forschungen bietet der neue Physikochemiker der Uni Jena Ansatzpunkte für Physik-Theoretiker, Materialwissenschaftler aber auch Biologen und Mediziner.

Im Westerwald aufgewachsen studierte Gerd Buntkowsky Physik an der Freien Universität Berlin. Dort promovierte er 1991 über optische Kernspinpolarisation und Multiquanten-NMR an organischen Festkörpern und betrieb danach strukturelle und dynamische Studien mit dipolarer und quadrupolarer Festkörper-NMR, die in seine Habilitation (2000) einflossen. Ein Auslandsaufenthalt führte ihn an das National Institute of Health in Bethesda, USA. Dort begann er mit NMR-Methoden die Struktur von beta-Amyloidpeptiden zu untersuchen. Die langen Eiweißketten „verkleben“ zu beta-Faltblattstrukturen und bilden in den Hirnen von Alzheimerpatienten spezifische Plaques. Auch diese Alzheimer-Forschungen will Buntkowsky nun in Jena fortführen.

Kontakt:
Prof. Dr. Gerd Buntkowsky
Institut für Physikalische Chemie der Universität Jena
Helmholtzweg 4, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 948310
E-Mail: gerd.buntkowsky@uni-jena.de

Hintergrundinformation zur NMR-Spektroskopie:

NMR steht für Nuclear Magnetic Resonance, zu deutsch Kernmagnetische Resonanz oder Kernspinresonanz. Die NMR-Spektroskopie beruht auf dem Phänomen der Kernspinresonanz in starken, homogenen Magnetfeldern. Der Eigendrehimpuls der Atomkerne, Spin genannt, hat zwei energetisch unterschiedliche Orientierungsmöglichkeiten in diesem Magnetfeld. Durch Einstrahlung von passenden Energiequanten können Spins in den höherwertigen Energiezustand „umklappen“. Dabei wird eine Radiowelle mit der entsprechenden Frequenz absorbiert. Dies wird messtechnisch erfasst. Die Atome können chemisch aber unterschiedlich gebunden sein, so dass die Änderung der Elektronendichte zu einer Abschirmung bzw. Freilegung des Atomkerns führt. Das bewirkt, dass hier eine geringere bzw. höhere effektive Feldstärke wirkt. Hiermit geht auch eine Verschiebung der Resonanzfrequenz einher. Auf diesem Prinzip und dem Phänomen, dass einige Atomkerne miteinander in Kopplung treten, beruht die Strukturbestimmung mittels NMR-Techniken. Die Methode ist eng verwandt mit der in der Medizin eingesetzten Kernspintomographie.

Media Contact

Stefanie Hahn idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de/

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