Bundesministerin Edelgard Bulmahn: "Türen für Stammzellforschung offen lassen"

Mit der Stammzellforschung verbindet sich nach Ansicht von Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn, „viel medizinisches Potenzial, doch viele wissenschaftliche Fragen sind noch offen. Sie müssen beantwortet werden, ehe sich zuverlässige Aussagen über den Einsatz stammzellbasierter Therapien treffen lassen“, sagte die Ministerin am Freitag auf dem internationalen Kongress „Biopolitik und Regenerative Medizin – Pro und Contra“ in Berlin, den das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung veranstaltet hat. „Das bedeutet allerdings, dass wir der Wissenschaft die verschiedenen Türen der Stammzellforschung offen lassen und Optionen nicht vorschnell aus der Hand nehmen dürfen“, betonte sie. „Niemand kann heute bereits definitiv vorhersagen, ob es der Forschung eines Tages wirklich gelingt, mit Hilfe der embryonalen Stammzellen das Wissen zu gewinnen, das wir brauchen, um schwere Krankheiten zu heilen und unnötiges Leiden zu vermeiden. Die Chance können wir mit dem Stammzellgesetz nutzen, solange sichergestellt ist, dass die zur Verfügung stehenden Stammzelllinien für alle wissenschaftlich wichtigen Fagestellungen als ausreichend angesehen werden können. Sie betonte: „Wir müssen die weitere wissenschaftliche Entwicklung aufmerksam verfolgen und sorgfältig prüfen, ob und inwieweit neue Erkenntnisse zu neuen Abwägungen führen“. Das betreffe auch die Möglichkeiten deutscher Forscher, sich an europäischen und internationalen Kooperationen zu beteiligen. Bisher dürfen Forscher in Deutschland nur mit humanen embryonalen Stammzellen (hES) aus Zelllinien arbeiten, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen worden sind. Sie machen sich nach dem Stammzellgesetz strafbar, wenn sie sich an hES-Forschungsprojekten im Ausland beteiligen, die im Inland verboten sind. Die Ministerin machte aber auch deutlich, dass die Innovationspotenziale der „regenerativen Medizin“, zu der auch die Stammzellforschung zählt, nur dann ausgeschöpft werden können, wenn „ihre Produkte und Verfahren von der Gesellschaft angenommen, ja gewollt sind.“

Brüssel berücksichtigt bei seiner Förderung von Forschungsprojekten die jeweiligen rechtlichen sowie ethischen Regelungen der EU-Mitgliedsländer, betonte der Direktor der Generaldirektion Forschung der Europäischen Kommission, Dr. Octavi Quintana Trias. Die EU fördere bisher drei Forschungsprojekte mit humanen embryonalen Stammzellen. Zugleich wies er darauf hin, dass der private Sektor die Stammzellforschung immer stärker fördere. „Wir können diese Forschung aber nicht allein dem privaten Sektor überlassen, sonst verlieren wir die Kontrolle“, warnte er. Ausgeschlossen von der EU-Förderung sind nach seinen Angaben reproduktives Klonen, Keimbahntherapie und die Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke.

Zu Beginn der Tagung am 7. April hatte MDC-Stiftungsvorstand Prof. Walter Birchmeier die hohen Erwartungen, die an die Stammzellforschung und ihre medizinische Anwendung geknüpft werden, als zum Teil überzogen bezeichnet. Er verwies darauf, dass die klinische Anwendung von nahezu allen bisher etablierten menschlichen embryonalen Stammzelllinien kritisch zu beurteilen sei, weil durch das Heranziehen auf Mauszellen und wegen der Verwendung von Nährmedien mit Zusätzen tierischer Seren die Stammzellen durch tierische Viren verunreinigt sein, oder unerwünschte Immunreaktionen bei Patienten auslösen können. „Damit entsteht die Frage nach einem rational begründeten Stichtag neu“, betonte Prof. Birchmeier.

Zu dem zweitägigen Kongress waren rund 140 Forscher, Politiker und Behördenvertreter aus mehreren europäischen Ländern sowie Thailand in die Friedrich-Ebert-Stiftung gekommen. Schwerpunkt des Kongresses war der Stand der Forschung mit Stammzellen und ihre Regulierung in Europa vor allem was den Schutz menschlicher Embryonen anbetrifft. Die Wissenschaft hofft, die Erkenntnisse, die sie über die natürlichen Regenerations- und Reparaturprozesse des Körpers zunehmend gewinnt, künftig gezielt für die Behandlung schwerer Krankheiten einsetzen zu können.

Der Kongress ist Teil des Forschungsprojekts „Diskurs zu den ethischen Fragen der Biomedizin“ der MDC-Arbeitsgruppe „Bioethik und Wissenschaftskommunikation“ von Dr. Christof Tannert und wurde vom BMBF gefördert.

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Barbara Bachtler idw

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