Lebende Polymere und katalytische Spezialitäten

Matthias Westerhausen zum Professor für Anorganische Chemie der Universität Jena ernannt


„Lebende Polymere“ nennt Prof. Dr. Matthias Westerhausen die langkettigen Verbindungen aus zyklischen Carbonsäureester-Bausteinen, die er im Labor erzeugt. „Die Ketten wachsen so lange, wie Baustoffe zur Verfügung stehen“, berichtet der gerade ernannte Lehrstuhlinhaber für Anorganische Chemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die eigentliche Besonderheit der entstehenden Polymere besteht darin, dass sie sich im menschlichen Körper mit der Zeit wieder auflösen und zu ihren unschädlichen Grundbausteinen abgebaut werden. Solche Materialien sind daher in der Medizin sehr gefragt, etwa um komplizierte Knochenbrüche zu verschrauben oder große Brandwunden abzudecken. Die Kunst besteht laut des neuen Chemieprofessors darin, „die Polymerisationsreaktion mit geeigneten katalytisch aktiven Verbindungen überhaupt zu starten. „Da die Polymere im menschlichen Körper zum Einsatz kommen, dürfen bei der Synthese in den aktiven Zentren der Katalysatoren keine toxischen Elemente enthalten sein.“ Westerhausen hat sich daher u. a. auf organische Verbindungen spezialisiert, die Kalzium enthalten. „Weil es auch in großen Mengen unbedenklich ist“, erklärt Westerhausen.

Neben Polymerisationsstartern erforscht er u. a. elektronenreiche Zinkverbindungen, die beim umweltverträglichen Abbau von Silikonen helfen könnten. Die Siliziumsauerstoffpolymere finden z. B. als Korrosionsschutzschicht in Metalltanks oder als Witterungsschutz auf Denkmälern und Gebäuden Anwendung. Um sie zu beseitigen, müssen sie derzeit verbrannt werden. Westerhausen will neue katalytische Verbindungen designen und erproben, die die Silizium-Sauerstoffbindungen knacken helfen. Anregungen holt sich der 46-jährige Chemiker in der Natur bei den biologischen Katalysatoren (Enzymen). Mit ihrem Sonderforschungsbereich (SFB) „Metallvermittelte Reaktionen nach dem Vorbild der Natur“ bietet die Uni Jena reichlich Anknüpfungspunkte für seine Forschung und umgekehrt. Westerhausen ergänzt die Reaktionspalette um katalytische Vorgänge wie die Übertragung von Protonen mittels elektronenreicher Verbindungen.

„Der SFB war einer der Gründe, die mich bestärkt haben nach Jena zu wechseln“, erklärt Westerhausen, der vorher Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München war. „Sowohl was den theoretischen Unterbau meiner Arbeiten betrifft, als auch im Hinblick auf die hier etablierten Messmethoden, finde ich an der Uni Jena ideale Bedingungen vor“, freut sich der Chemiker, der mit seiner Frau und seinen zwei Kindern bereits nach Jena umgezogen ist.

Der aus Hannoversch Münden stammende Westerhausen hat an der Universität Marburg Chemie studiert und 1987 an der Universität Stuttgart promoviert. Nach einem einjährigen Postdoc-Aufenthalt an der University of New Mexico in Albuquerque (USA) kehrte er für die Habilitation nach Stuttgart zurück. In der 1994 abgeschlossenen Arbeit beschäftigte er sich mit Transmetallierungsreaktionen als Zugang zu Erdalkalimetall-Hauptgruppenelement-Bindungen. Die so genannten Grignard-Verbindungen finden im Labor und in der chemischen Industrie eine breite Anwendung, haben aber den ökonomischen Nachteil, dass die bei den Reaktionen anfallenden Magnesiumsalze als Sondermüll entsorgt werden müssen. Auch hier arbeitet der Chemiker daran, das Element Magnesium durch das biologisch unbedenkliche Kalzium zu ersetzen. Dies sowie die Forschung an dem Nebengruppenelement Yttrium „sind jedoch reine Grundlagenforschung“, macht Westerhausen deutlich.

Kontakt:
Prof. Dr. Matthias Westerhausen
Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Universität Jena
Carl-Zeiss-Promenade 10, 07745 Jena
Tel.: 03641 / 948129
E-Mail: m.we@uni-jena.de

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