Resistente Keime killen
Paromomycin-Abkömmling als potenzieller Wirkstoff gegen mehrfachresistente Staphylokokken
Um eine bakterielle Infektion abzuwehren, gibt es mehrere Angriffspunkte im Stoffwechsel der Invasoren. So treibt das Antibiotikum Paromomycin, ein Aminoglycosid (Verbindung aus stickstoffhaltigen Zuckerbausteinen), die Fehlerrate bei der Proteinbiosynthese in die Höhe und stoppt so die Vermehrung der Bakterien. Leider hat diese Antibiotika-Klasse außer dem Risiko schwerer Nebenwirkungen einen weiteren Nachteil: Die Wirkstoffe lassen sich leicht durch spezielle Enzyme deaktivieren, die von resistenten Bakterienstämmen gebildet werden können. Ein kanadisch-französisch-amerikanisches Forscherteam hat nun einen neuartigen Paromomycin-Abkömmling entwickelt, der ein potenzieller Ausgangspunkt für eine nächste Generation Aminoglycosid-Antibiotika sein könnte.
Zur Herstellung eines Proteins ziehen Zellen eine Kopie des DNA-Abschnitts, der für das benötigte Protein codiert. Die Kopie besteht aus einem RNA-Strang, der dann als „Bauanleitung“ in die zellulären Proteinsyntheseapparate, die Ribosomen, „eingelegt“ wird. An der A-Bindestelle des Ribosoms wird die Bauanleitung decodiert: Hier docken „Adapter“-RNA-Moleküle an, deren eines Ende jeweils genau zum gerade abgelesenen Codon der Bauanleitung passt. An anderen Ende des Adapters hängt diejenige Aminosäure, die diesem Codon entspricht. Sie wird nun an die wachsende Proteinkette angeknüpft. An diese so wichtige A-Bindestelle heftet sich Paromomycin, ein aus vier Ringen aufgebautes Molekül, und beeinträchtigt dabei die Ablesegenauigkeit.
Eine zusätzliche Seitenkette könnte die Bindung des Wirkstoffes an das Ribosom verbessern, dachte sich das Team aus Forschern um Eric Westhof (Universität Straßburg) und Stephen Hanessian (Universität Montréal) sowie von Ibis Therapeutics (USA). Eine OH-Gruppe an Ring III wurde als geeigneter Anknüpfungspunkt ermittelt. Wie erhofft, erwies sich eines der so erzeugten Analoga als besonders wirksam und sogar einem mehrfachresistenten Staphylokokken-Stamm gewachsen, bei dem die üblichen Aminoglycoside alle versagen. Vermutlich stabilisiert die spezielle Seitenkette dieses Analogons das Molekül gegenüber den bakteriellen Resistenz-Enzymen.
Eine Röntgenanalyse enthüllte Erstaunliches: einen neuartigen Bindungsmodus zwischen der A-Bindestelle und dem Wirkstoff. Während die Ringe I und II noch fast genauso wie bei Paromomycin in die Furche der A-Bindestelle eingebunden sind, ist Ring III um 40o gedreht und auf andere Weise in sich gefaltet als bei Paromomycin. Dadurch kommt Ring IV in eine um 90o veränderte Richtung zu liegen. Durch diese neue Orientierung entstehen zusätzliche Bindungen zwischen den Ringen III und IV und der A-Bindestelle des Ribosoms. Die neue Seitenkette selbst scheint dagegen kaum neue Kontakte zur A-Bindestelle aufzubauen.
Kontakt:
Prof. S. Hanessian
Department of Chemistry
Université de Montréal
P.O. Box 6128
Station Centre-ville
Montréal, Kanada
P.Q.
H3C 3J7
Tel.: (+1) 514-343-6738
Fax: (+1) 514-343-5728
E-mail: stephen.hanessian@umontreal.ca
Angewandte Chemie Presseinformation Nr. 48/2004
Angew. Chem. 2004, 116 (48), 6903 – 6907
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