Gentech-Pflanzen: Sterile Pollen verhindern Ausbreitung

Pollen einer herkömmlichen Tomatenpflanze (A) und einer steril gemachten Variante (B, Nin88-Invertase-Antisense) unter dem Elektronenmikroskop. Die Pollen wurden kurz nach dem Aufplatzen der Pollensäcke geerntet. Aufnahmen: U. Kahmann

Nach Tabak und Tomate nun Versuche mit Weizen und Raps


Wenn über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen gestritten wird, bringen Skeptiker oft folgenden Einwand vor: Die Pollen dieser Gewächse könnten verwandte Wildpflanzen befruchten, es komme zu Kreuzungen mit unabsehbaren Folgen für das Ökosystem. Eine durchaus ernst zu nehmende Gefahr, die allerdings im Prinzip schon beseitigt ist: Wissenschaftler vom Biozentrum der Uni Würzburg haben es geschafft, bei Pflanzen ganz gezielt die Pollen zu sterilisieren.

Rein äußerlich unterscheiden sich die Tomaten- und Tabakpflanzen beim Forschungsteam von Professor Thomas Roitsch am Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie nicht von anderen Pflanzen ihrer Art: In den Blüten wachsen männliche Geschlechtsorgane heran, die Staubgefäße, und beginnen mit der Pollenproduktion. Aber dann bleibt die Entwicklung stehen, die Pollen kommen nicht zur Reife und sind darum auch nicht zur Befruchtung fähig – die Pflanze kann ihre Gene nicht weitergeben.

Wie die Forscher das zu Stande gebracht haben? „In den männlichen Blütenteilen gibt es eine spezialisierte Zellschicht, deren einzige Aufgabe es ist, die heranreifenden Pollen mit Nährstoffen zu versorgen“, erklärt Roitsch. Für diesen Prozess sei das Enzym Invertase unerlässlich. Die Würzburger Wissenschaftler haben dafür gesorgt, dass dieses Enzym nicht mehr funktioniert – und zwar ausschließlich in der Zellschicht, welche die Pollen ernährt. In allen anderen Teilen der Pflanze kann die Invertase ihre Aufgaben uneingeschränkt erledigen.

Damit haben die Forscher laut Roitsch ein „subtiles und hoch effizientes“ Werkzeug in der Hand, um die unkontrollierte Ausbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen zu verhindern. Was bei Tomate und Tabak schon geglückt ist, soll nun auch bei anderen Nutzpflanzen versucht werden, zunächst bei Weizen und Raps. Gerade letzterer ist dafür bekannt, dass er sich leicht mit seinen wild wachsenden Familienangehörigen kreuzt. Dieses neue Forschungsprojekt wird vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz gefördert. Weitere Unterstützung kommt aus dem Sonderprogramm „Integrierte Umwelttechnik“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Damit wurde ein dreimonatiger Forschungsaufenthalt der indischen Professorin Bavita Asthir in Würzburg zur Mitarbeit am Projekt finanziert.

Weltweit wird derzeit an gentechnisch veränderten Pflanzen gearbeitet, die gegen Schädlinge und Krankheiten unempfindlich oder besser an bestimmte Klimabedingungen angepasst sind als herkömmliche Sorten. Würden diese neuen Eigenschaften durch Auskreuzung auf Wildpflanzen übertragen, könnten diese gegenüber anderen Pflanzen einen Vorteil erlangen: „Möglicherweise würden sie Krankheiten besser überstehen als ihre Nachbarpflanzen oder bei Trockenperioden länger überleben“, so der Würzburger Professor. Denkbare Folge: Die Pflanzen mit den neuen Eigenschaften könnten sich schneller vermehren und ausbreiten. Das würde die Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaft verändern und sich vielleicht auch auf die Tierwelt auswirken.

Neben bereits kommerziell angebauten krautigen Gentech-Pflanzen wie Sojabohnen werden in wenigen Jahren auch gentechnisch veränderte Bäume für die Holzwirtschaft oder zum Abbau von Schadstoffen im Boden zur Verfügung stehen, wie Roitsch prognostiziert. Weiterhin wird an der Herstellung von Pflanzen gearbeitet, die hoch wirksame Arzneimittel produzieren. „Wenn solche Pflanzen tatsächlich einmal auf einem Feld stehen sollten, dann muss sichergestellt sein, dass sie nur dort und nirgends sonst wachsen. Die Gene für Arzneiwirkstoffe dürfen auf keinen Fall auf andere Kultur- oder Wildpflanzen übertragen werden“, so der Professor.

Um dieses Ziel zu erreichen, sind mehrere Strategien denkbar. Die Fremdgene können hauptsächlich mit den Pollen auf artgleiche Kulturpflanzen oder nah verwandte Wildpflanzen übertragen werden. Pollen werden von den meisten Pflanzen in großen Mengen gebildet und von Insekten oder vom Wind – je nach Wetterlage bis zu mehrere Kilometer – vom Feld weggetragen. Daher setzen die beiden zurzeit wichtigsten Strategien an den Pollen an: Entweder wird die Pollenbildung der Gentech-Pflanzen unterbunden oder aber die Pflanzen werden so gezüchtet, dass ihre Pollen erst gar keine fremden Gene enthalten. Thomas Roitsch verfolgt die erste Strategie, weil die andere für eine generelle Anwendung derzeit noch zu viele Hindernisse berge.

Seine Methode ist auch im Hinblick auf die kontrovers diskutierte Novellierung des deutschen Gentechnikgesetzes relevant. Forscher, Wissenschaftsorganisationen und Agrounternehmen sehen die derzeit vorbereitete Gesetzesvorlage als Todesurteil für die grüne Gentechnik in Deutschland an, weil im Falle einer unbeabsichtigten Auskreuzung von Gentech-Pflanzen umfangreiche Schadenersatzforderungen vorgesehen sind. Die von Thomas Roitsch entwickelte Methode stellt eine wirksame biologische Sicherheitsmaßnahme gegen die unkontrollierte Ausbreitung gentechnischer Änderungen durch Pollenflug dar.

Weitere Informationen: Prof. Dr. Thomas Roitsch, T (0931) 888-6174, Fax (0931) 888-6182, E-Mail: roitsch@biozentrum.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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