Ein Protein fördert krankhafte Ablagerungen bei Chorea Huntington

Seit Wissenschaftler vor über elf Jahren das Gen entdeckt haben, das die Huntington`sche Krankheit verursacht, bekommen sie immer tieferen Einblick in die Entstehungsmechanismen dieses unheilbaren Nervenleidens. Ist das Gen verändert (mutiert), klumpt das von ihm gebildete Protein Huntingtin zusammen und bildet im Zellkern der betroffenen Nervenzellen (Neuronen) Eiweißablagerungen, die die Zellen schädigen. Das konnte die Arbeitsgruppe von Prof. Erich Wanker vor sieben Jahren zeigen. Weshalb das so ist, war bisher unklar. Jetzt entdeckten Prof. Wanker und seine Mitarbeiterin Heike Göhler am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch ein Protein, das so genannte GIT1, das das Zusammenklumpen von verändertem Huntingtin fördert. Sie konnten in Gehirnen von Patienten, die an Chorea Huntington gestorben sind, nachweisen, dass GIT1 Bestandteil der Eiweißablagerungen ist. Darüber hinaus konnten sie zeigen, dass eine große Anreicherung von GIT1 Fragmenten die Verklumpung von mutiertem Huntingtin stark beschleunigt. Das ist nach Ansicht der Wissenschaftler ein Hinweis darauf, dass sich die Verteilung und die Funktion von GIT1 in Nervenzellen während des Krankheitssprozesses ändert und vielleicht auch beim Krankheitsverlauf eine Rolle spielen kann. Ihre Arbeit ist jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Molecular Cell* (Vol.15, September 2004) erschienen.

Auf die Spur von GIT1 brachte die Forscher die Untersuchung von Protein-Proteinwechselwirkungen mit Hilfe einer speziellen Hochdurchsatz-Technologie, die auf dem Einsatz von Hefe basiert (yeast two-hybrid system) sowie die Durchforstung von Proteindatenbanken. Damit konnten sie auch das erste Protein-Netzwerk für eine neurodegenerative Erkrankung erstellen. Die Funktion von Huntingtin ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt. In dem jetzt von Prof. Wanker und seinen Mitarbeitern erstellten Interaktionsnetzwerk für Chorea Huntington identifizierten sie Wechselwirkungen von Huntingtin bzw. seiner mutierten Form mit verschiedenen Proteinen, die Hinweise auf die zelluläre Funktion von Huntingtin geben. Anscheinend spielt Huntingtin bei der Regulation von Genen und bei zellulären Transportprozessen eine Rolle. Die Wissenschaftler vermuten, dass Huntingtin wahrscheinlich eine Art „Plattformprotein“ ist, auf der sich verschiedene Proteine finden und miteinander wechselwirken können. Alle Proteine, die mit Huntingtin oder seiner mutierten Form wechselwirken, sind potentielle krankheitsbeeinflussende Faktoren, betonen sie. Sie hoffen, mit diesem Netzwerk neue Angriffspunkte für eine medikamentöse Therapie zu finden.

Chorea Huntington, auch Veitstanz genannt, wurde 1872 von dem amerikanischen Arzt George Huntington entdeckt. Es ist ein seltenes Erbleiden (7:100 000), jedoch besteht für die Kinder eines betroffenen Elternteils eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent, ebenfalls zu erkranken. Die Krankheit ist gekennzeichnet durch unkontrollierbare Zuckungen, Demenz und führt rund 15 Jahre nach Ausbruch zum Tod.

*A protein interaction network links GIT1, an enhancer of huntingtin aggregation, to Huntington’s disease

Heike Goehler1, Maciej Lalowski1, Ulrich Stelzl1, Stephanie Waelter1, Martin Stroedicke2, Uwe Worm2, Anja Droege1, Katrin S. Lindenberg3, Maria Knoblich1, Christian Haenig2, Martin Herbst1, Jaana Suopanki1, Eberhard Scherzinger2, Claudia Abraham1, Bianca Bauer1, Renate Ha-senbank2, Anja Fritzsche1, Andreas H. Ludewig2, Konrad Buessow2, Sarah H. Coleman4, Claire-Anne Gutekunst4, Bernhard G. Landwehrmeyer3, Hans Lehrach2, Erich E. Wanker1, 2*
1Max-Delbrueck-Center for Molecular Medicine (MDC), 13125 Berlin-Buch, Germany
2 Max-Planck-Institute for Molecular Genetics (MPIMG), 14195 Berlin, Germany
3 Department of Neurology, University of Ulm, 89075 Ulm, Germany
4 Department of Neurology, Emory University School of Medicine, Atlanta, GA
30322, USA

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Barbara Bachtler idw

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