Krebsgen kontrolliert Zelldifferenzierung

Die Kontrolle des Zellzykluses und der Zelldifferenzierung sind von fundamentaler biologischer Bedeutung. Ein wichtiger Faktor ist dabei das Retinoblastom-Gen beziehungsweise dessen Protein. ETH-Forschende haben nun den Einfluss des Retinoblastom-Gens in Pflanzen untersucht. Dieses ist nicht nur wichtig für die Zellvermehrung, sondern auch für die Aufrechterhaltung des Differenzierungszustandes einer Zelle. Die Arbeit erscheint in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature“.

Krebs entsteht, wenn eine Zelle ihren Differenzierungszustand verliert und sich unkontrolliert zu teilen beginnt. Mittlerweile sind viele Gene bekannt, die dabei eine Rolle spielen. Ein zentrales ist das Retinoblastom-Gen. Dieses ist bei vielen Krebsarten des Menschen, z.B. einem Augentumor bei Kindern, involviert. Das hängt damit zusammen, dass das entsprechende Protein den Zellzyklus kontrolliert, indem es in seiner aktiven Form die Zellteilung stoppt. Vom Retinoblastom-Gen gibt es auch in Pflanzen ein Homolog. Eine Arbeit von ETH-Forschenden, die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature“ erscheint, zeigt, dass das Retinoblastom-Gen nicht nur wichtig für die Zellvermehrung ist, sondern auch für die Aufrechterhaltung des Differenzierungszustandes einer Zelle.

Weiblichen Geschlechtsapparat in Pflanzen untersucht

In ihrer Arbeit haben die Forschenden untersucht, wie sich insbesondere die Zellen des weiblichen Geschlechtsapparates von Arabidopsis thaliana entwickeln, wenn sie mutierte Versionen des Retinoblastom-Gens tragen. Den Fokus auf die Geschlechtszellen wählten die Forschenden, da bei Pflanzen im Gegensatz zu Tieren nicht nur die Samen und Eizellen einen einfachen, also haploiden Chromosomensatz enthalten, sondern auch weitere Zellen im Geschlechtsapparat. Diese Struktur mit den haploiden Zellen nennt man Megagametophyt. Allen Zellen des Megagametophyts ist gemeinsam, dass sich bei ihnen eine Mutation in einem aktiven Gen sofort auswirkt, da keine normale Gen-Variante auf einem zweiten Chromosom kompensatorisch wirken kann.

Unkontrollierte Entwicklung in Retinoblastom-Mutanten

Trug nun die Pflanze eine mutierte Variante des Retinoblastom-Gens, führte das dazu, dass die Hälfte der Eizellen sich nicht richtig entwickeln konnte. Als die Forschenden den reifen unbefruchteten Megagametophyten noch näher untersuchten, fanden sie eine unkontrollierte exzessive Zellkernvermehrung dort, wo der Eiapparat sein sollte. Im so genannten Embryosack durchliefen Retinoblastom-Mutanten eine Entwicklung, wie sie sonst erst nach einer Befruchtung geschieht. Es kam zu einer so genannten autonomen Endosperm-Entwicklung, wie man sie bereits von Mutationen in anderen Genen als dem Retinoblastom her kannte.

Retinoblastom-Gen reguliert Differenzierungszustand der Zellen

Die Arbeit der ETH-Forschenden zeigt, dass das Retinoblastom-Gen nicht nur den Eintritt in den Zellzyklus reguliert, sondern auch den Differenzierungszustand der Zellen. Damit konnte erstmals der Einfluss des Retinoblastom-Gens während eines frühen Entwicklungsprozesses aufgezeigt werden. Bei Tieren ist dies nicht möglich gewesen, da das Ausschalten des Gens in Mäusen zwar für den Embryo zwar letal ist, dieser sich aber noch relativ weit entwickeln kann bevor er stirbt. Die ETH-Arbeit könnte somit auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit Tieren arbeiten, inspirieren.

Quelle

Chantal Ebel, Luisa Mariconti & Wilhelm Gruissem: „Plant Retinoblastoma homologues control nuclear proliferation in the female gametophyte“, Nature, VOL 429, 17 June 2004.

Weitere Informationen

Prof. Wilhelm Gruissem
Institut für Pflanzenwissenschaften
Telefon +41 1 632 08 57
Telefax +41 1 632 10 79
wilhelm.gruissem@ipw.biol.ethz.ch

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Weitere Informationen:

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