Blutstammzellen aus dem Bioreaktor – Neue Chancen für die Krebstherapie

Sie sind vielfältig und in der Medizin sehr begehrt: blutbildende Stammzellen. Lebenslang sorgen sie für die ständige Erneuerung des Bluts und für ein intaktes Immunsystem. In der Krebstherapie sind sie überlebenswichtig für den Patienten. Bislang war eine Knochenmark-Spende die einzige Chance, blutbildende Stammzellen zu übertragen. Auch in Nabelschnurblut sind diese wertvollen Zellen enthalten, jedoch nicht in ausreichender Menge. Hier ist den Biotechnologen des Forschungszentrums Jülich ein Erfolg gelungen: Sie entwickelten gleich zwei neue Bioreaktoren, in denen blutbildende Stammzellen, aber auch reife Blutzellen in großem Maßstab kultiviert und vermehrt werden können.
Nabelschnurblut, das normalerweise nach der Geburt entsorgt wird, enthält eine begrenzte Menge blutbildender Stammzellen. Diese Zellen helfen krebskranken Kindern, deren Immunsystem durch eine Chemo- oder Strahlentherapie zerstört ist. Denn durch die aggressive Behandlung werden nicht nur die Krebszellen, sondern auch die Immunzellen angegriffen. Allein aus Stammzellen kann sich wieder ein intaktes Immunsystem entwickeln. Nabelschnurblut enthält jedoch nicht genügend dieser vielseitigen Zellen, um auch größere Kinder und Erwachsene zu behandeln. Ihnen muss aufwändig Knochenmark transplantiert werden. Für 20 Prozent aller Patienten kann trotz weltweiter Suche kein passender Spender gefunden werden.
Doch eine Lösung ist in Sicht. Die Wissenschaftler vom Institut für Biotechnologie haben einen Bioreaktor entwickelt, in dem unter kontrollierten Bedingungen Stammzellen kultiviert werden können. Das ist nicht einfach, denn die Zellen sind anspruchsvoll. Immerhin leben sie normalerweise in einem der größten und aktivsten Organe des menschlichen Körpers, dem Knochenmark. Um dieses natürliche Umfeld zu simulieren, haben die Jülicher Forscher sich eine besondere Technik ausgedacht. Sie benutzen im neuen Bioreaktor kleine poröse Kugeln aus Kollagen, einem Eiweiß, in deren Hohlräumen sich die Stammzellen wie in den Nischen des Knochenmarks ansiedeln können.
Auf überraschend einfache Weise werden die blutbildenden Zellen schließlich von den Wissenschaftlern geerntet: ein Enzym wird zugegeben und löst die Kugeln auf. Übrig bleiben die wertvollen Zellen. Auf diese Weise können bereits klinisch relevante Mengen produziert werden, auch wenn das Verfahren vor dem klinischen Einsatz noch intensiv geprüft werden muss.

Aber auch die Milliarden von roten und weißen Blutkörperchen, die täglich im Knochenmark eines Erwachsenen aus den Stammzellen heranreifen, sind in der Medizin von großer Bedeutung. Hier eröffnet der zweite entwickelte Bioreaktor aus dem Jülicher Labor neue Perspektiven. Mit ihm können die Forscher in ausreichender Menge Zellen produzieren, die zur gezielten Abwehr von Krankheitserregern nötig sind. Das ist wichtig für Patienten mit geschwächtem Abwehrsystem. Dieser Bioreaktor ist anwendungsreif. Das Kultursystem, bei dem die Zellen sich frei in einer gerührten Nährlösung befinden, ist vielfältig einsetzbar. So ist es denkbar, zukünftig in diesem Bioreaktor gezielt Zellen für Blutspenden zu produzieren.
„Für uns war und ist es eine Frage der Ehre, ein so zukunftsweisendes Projekt zum Wohle schwer kranker Menschen zu unterstützen“, erklärt Dr. Dartsch vom Jülicher Malteser-Krankenhaus, dessen Mitarbeiter von der Geburtshilfe-Station 250 Nabelschnurblutproben für die Wissenschaftler sammelten. Nur so waren die Forschungen möglich, die mit einen Anstoß gaben, die Firma MainGen in Frankfurt zu gründen.

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Peter Schäfer idw

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