Geschärfter Blick ins kranke Gehirn

Der neue, von Wissenschaftlern und Technikern der Firma CPS Innovations, Knoxville, TN, USA, und des Kölner Max-Planck-Instituts für neurologische Forschung entwickelte Positronen-Emissions-Tomograph für das Gehirn. Der Bildausschnitt zeigt die Detektorköpfe. <br>Bild: Max-Planck-Institut für neurologische Forschung

Neue Generation von PET-Geräten ermöglicht Früherkennung von neurodegenerativen Leiden wie Alzheimer-Demenz

Die frühe Diagnose von Alzheimer-Demenz und anderen Erkrankungen des Gehirns ist von großer Bedeutung, seitdem neue Wirkstoffe verfügbar werden, die helfen könnten, den Verlauf dieser anderenfalls unaufhaltsamen Krankheit zu verlangsamen. Neue Studien haben jetzt gezeigt, dass die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) das derzeit am besten geeignete Werkzeug für eine solche Diagnose, vor allem in der Anfangsphase von Krankheiten, sein kann (vgl. u.a. The Journal of Nuclear Medicine, März 2004). Grundlage dafür ist eine neue Generation von PET-Scannern, die von Wissenschaftler und Techniker der Firma CPS Innovations, Knoxville, TN, USA, und des Kölner Max-Planck-Instituts für neurologische Forschung in mehrjähriger Zusammenarbeit entwickelt wurde. Dank leistungsfähigem Detektormaterial und innovativer Registrierelektronik erreicht diese ohnehin sehr genaue Methode ein noch besseres räumliches Auflösungsvermögen bei hoher Sensitivität. Die neue Technik sowie ihr Einsatz bei der Untersuchung funktioneller, biochemischer und molekularer Vorgänge in der experimentellen und klinischen Hirnforschung wird beim 4. Kölner PET-Symposium (18. – 23. März 2004) vorgestellt.

Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) ist eine nuklearmedizinische Methode, bei der Biomoleküle zuerst mit einem Positronen-Strahler markiert werden, um dann durch den Nachweis der radioaktiven Strahlung von außen die Verteilung der Radioaktivität im Körper zu messen. Die Positronen werden über die beim Zerfall eines Positrons entstehenden zwei Photonen nachgewiesen, die im Winkel von 180 Grad zueinander emittiert werden. Die Technik eignet sich speziell für Untersuchungen des gesunden und kranken Gehirns, weil der Positronenzerfall mit verschiedenen Detektoren, die große Teile des Kopfes umfangen, zeitgleich nachgewiesen werden kann.

Seit der Entwicklung der ersten Positronen-Emissions-Tomographen verfolgten Wissenschaftler und Mediziner weltweit das Ziel, die räumliche Auflösung der Geräte weiter zu verbessern und ihre Nachweiswahrscheinlichkeit zu steigern. Allerdings besteht für die räumliche Auflösung dieser Methode eine physikalische Grenze, die durch die Energieverteilung des emittierten Positrons und die Winkelverteilung der beiden Zerfalls-Photonen um 180 Grad bestimmt wird: Diese Grenze liegt bei etwa zwei Millimeter. Wenn man also genaue Messungen von Markierungssubstanzen in den etwa drei bis fünf Millimeter dicken Schichten der Hirnrinde oder bei fokalen Störungen erreichen will, musste man versuchen, die PET-Technik möglichst nah an diese Auflösungsgrenze zu treiben.

Methodische Weiterentwicklung

Der effizienteste Nachweis der Zerfallsphotonen geschieht bei PET mit Szintillatorkristallen hoher Nachweiswahrscheinlichkeit sowie mit Photomultipliern (Lichtverstärkern). Doch der seit etwa 20 Jahren am häufigsten verwendete Szintillator BGO (Wismutgermanat) ist seit längerem an einer klaren Grenze hinsichtlich seiner räumlichen Auflösung angelangt. Diese Grenze hat das deutsch-amerikanische Entwicklungsteam nun mit dem neuen Szintillator LSO (Lutetiumoxyorthosilikat) überwunden, den eine hohe Lichtausbeute und eine sehr schnelle Lichtabklingzeit auszeichnet. Die neuen Detektorkristalle haben eine ähnlich hohe Nachweiswahrscheinlichkeit wie die bisherigen BGO-Szintillatoren. Durch die Verwendung von zwei hintereinanderliegenden Schichten von LSO-Kristallen mit geringfügig unterschiedlichen Lichtabklingzeiten (größer 7 Nanosekunden) erhält man jetzt über Pulse Shape-Diskriminierung aber auch Informationen über die so genannte Wechselwirkungstiefe (DOI, depth of interaction).

Diese Informationen sind eine notwendige Voraussetzung für eine bessere, in alle Richtungen gleiche (isotrope) Auflösung in einem großvolumigen Gesichtsfeld bei weiterhin hoher Nachweiswahrscheinlichkeit. Diese liegt bei dem neuen Tomographen bei 2,2 Millimeter im Zentrum des Gesichtsfeldes und erlaubt auf diese Weise die nicht-invasive Funktionsuntersuchung des Gehirns bei fast allen Säugetieren, einschließlich Maus und Mensch. Zu dieser Neuentwicklung dazu gehören auch verbesserte bzw. neue Markierungssubstanzen. Mit den auf diese Weise erreichten Verbesserungen einher geht eine große Zunahme der Messdaten. Deshalb mussten die Forscher auch effiziente Bildrekonstruktionsverfahren für die Umrechnung der Messdaten in Hirnbilder entwickeln, die auf einem Cluster von leistungsfähigen Rechnern parallelisiert ablaufen.

Die neue Technologie steht jetzt als hochauflösender Forschungstomograph (HRRT = High Resolution Research Tomograph) für Untersuchungen des menschlichen Gehirns zur Verfügung, aber auch als kleiner Tomograph (MicroPET) für Untersuchungen von Versuchstieren.

Innovative Anwendungen

In zahlreichen Bereichen der Medizin werden gegenwärtig Krankheiten nach molekulargenetischen Gesichtspunkten neu eingeteilt und klassifiziert. Dabei verspricht die Kenntnis der molekularen Krankheitsursachen die Entwicklung von neuen Therapien, die gezielt auf molekularer Ebene und damit an der Wurzel eines Krankheitsprozesses angreifen.

Ein zentrales Thema des 4. PET-Symposiums in Köln ist deshalb die Anwendung der neuen hochauflösenden bildgebenden Positronen-Emissions-Tomographie, um krankheitsspezifische molekulare Prozesse in vivo sichtbar zu machen – das so genannte Molekulare Imaging. Molekulares Imaging erlaubt eine wiederholte, nicht-invasive Darstellung verschiedener molekularer Prozesse, wie zum Beispiel Genexpression, Signaltransduktion, transkriptionelle Regulation sowie Protein-Protein-Interaktionen im lebenden Organismus. Die Möglichkeit, krankheitsspezifische molekulare Prozesse dynamisch am lebenden und physiologisch intakten Organismus beobachten zu können, ist der entscheidende Unterschied zwischen PET und anderen molekularen Methoden.

Da die gleichen molekularen bildgebenden Parameter direkt vom Tiermodell auf den Menschen übertragen werden können, nimmt das Molekulare Imaging eine besondere Stellung in der „translationalen Forschung“ vom Labor zum Patienten ein. Die molekulare Bildgebung wird daher in Zukunft eine herausragende Rolle dabei spielen, wenn es um eine genaueren und effizienteren Beurteilung der Wirksamkeit neuer molekularer Behandlungskonzepte in klinischen Phase I-Studien geht.

Das Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln gehört zu den weltweit führenden Zentren, in denen verschiedene Methoden des Molekularen Imagings (hochauflösendes PET, MRT) etabliert sind, um neue Therapieansätze, wie die Gen- und Stammzelltherapie, weiter zu entwickeln und ihre Möglichkeiten und Grenzen rechtzeitig zu erkennen. So wird bei der „bildgesteuerten Gentherapie“ von bösartigen Gehirntumoren die Aktivität und damit die Bösartigkeit der Tumore – mit Hilfe molekularer Marker – durch die Positronen-Emissions-Tomographie charakterisiert (Abb. 2, linke Spalte). Diese Bildinformation dient dann dazu, um gentherapeutische Vektoren gezielt in das aktive Tumorgewebe einzuschleusen (Abb. 2, mittlere Spalte). Darüber hinaus wird die Effizienz der Vektorapplikation, die Wirksamkeit der therapeutischen Gene im Gewebe und der vermittelte Therapieeffekt bildlich direkt nachgewiesen und messbar gemacht (Abb. 2, rechte Spalte). Die Quantifizierung unterschiedlicher molekularer Informationen ermöglicht es dann den Wissenschaftlern, wirksame und sichere gentherapeutische Anwendungsprotokolle für die klinische Anwendung zu etablieren.

Eine zentrale Herausforderung bei neurodegenerativen Erkrankungen, die zu einer Demenz führen können, besteht darin, diese zu einem Zeitpunkt diagnostizieren zu können, an dem es noch nicht zu irreversiblen Schäden im Gehirn gekommen ist, sondern sich die Demenz noch aufhalten lässt. Angesichts der rasanten Entwicklung der molekularen Pharmakologie ist zu erwarten, dass die gegenwärtig verfügbaren, noch relativ wenig wirksamen molekularen Medikamente immer weiter verbessert und immer spezifischer werden, so dass es unerlässlich wird, präzise zwischen verschiedenen demenziellen Erkrankungen bereits im Frühstadium unterscheiden zu können.

Denn je nach Krankheit sind ganz unterschiedliche Neurotransmitter-Systeme im Gehirn bevorzugt betroffen. Diese können heute mit PET spezifisch dargestellt werden. So besteht bei der Alzheimer-Demenz eine starke Störung der Neurotransmission von Acetylcholin (cholinerges System) in der Gehirnrinde. Lange Zeit nahm man an, diese Störung gehe von einer Zellansammlung im basalen Vorderhirn (Nucleus basalis Meynert) aus. Erst vor kurzem konnten Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für neurologische Forschung mit einer PET-Untersuchung zeigen, dass es bei Alzheimer zuerst zu einer Störung dieses Transmittersystems im Kortex und im Mandelkern (Corpus amygdaloideum) kommt (Abb. 3), bevor schließlich auch die Zellkerne des Nucleus basalis zugrundegehen (vgl. Neuroimage 2004). Diese anfängliche kortikale Störung findet sich auch bei einem Teil der Patienten mit nur geringen Einbussen der geistigen Leistungsfähigkeit, einer so genannten leichten kognitiven Beeinträchtigung, noch ohne Demenz. Aktuelle Untersuchungen zeigen jedoch, dass diese leichten Störungen mit einem erhöhten Risiko für die rasche Entwicklung einer Demenz verbunden sind.

Eine starke Störung der Acetylcholin-Neurotransmission findet sich auch sehr frühzeitig bei der „Demenz mit Lewy-Körperchen“, einer demenziellen Erkrankung mit Halluzinationen und starken Schwankungen der Leistungsfähigkeit, die sich auch aus einer Parkinson-Erkrankung entwickeln kann. Im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz besteht hier zusätzlich auch eine Störung der Dopamin-Neurotransmission (dopaminerges System), die ebenfalls mit PET nachweisbar ist (Abb. 4). Hingegen sind das cholinerge und dopaminerge System bei frontotemporaler und vaskulärer Demenz weitgehend intakt.

Mit dem neuen hochauflösenden Forschungstomographen HRRT-PET ist es nun möglich, derartige Funktionsstörungen in kleinen, aber für Gedächtnisfunktionen hochbedeutsamen Arealen der Hirnrinde, wie zum Beispiel im Hippokampus und in den tiefen Hirnkernen, noch präziser zu erfassen und auch von einem eventuell bereits eingetretenen Verlust an Hirnsubstanz (Atrophie) abzugrenzen. Zudem besteht die Möglichkeit, die betroffenen Kortex-Regionen gleichzeitig mit hochauflösender Kernspintomographie zu untersuchen und den Cortex dann mit Hilfe moderner 3D-Datenprozessierung am Computer Schritt für Schritt „zu entfalten“. Dadurch können kortikale Funktionen heute wesentlich präziser – auch im Vergleich zwischen verschiedenen Patienten – gemessen werden.

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Prof. Wolf-Dieter Heiss
Max-Planck-Institut für neurologische Forschung, Köln
Tel.: 0221 4726-220, Fax: -298
E-Mail: wdh@pet.mpin-koeln.mpg.de

Prof. Karl Herholz
Max-Planck-Institut für neurologische Forschung, Köln
Tel.: 0221 4726-313, Fax: -298
E-Mail: karl.herholz@pet.mpin-koeln.mpg.de

Media Contact

Dr. Andreas Trepte Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.pet.mpin-koeln.mpg.de

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