Tissue Engineering – Aussichten auf Herstellung von menschlichem Gewebe

Die Europäische Kommission hat heute einen Bericht über die Aussichten für Handels- und Forschungsaktivitäten im Bereich des biotechnologischen Gewebe- und Organersatzes (Regeneration von menschlichem Gewebe durch Tissue-Engineering) veröffentlicht. Tissue-Engineering ist ein im Entstehen begriffener multidisziplinärer Sektor der Biotechnologie. Er verspricht einen grundlegenden Wandel der medizinischen Verfahren, indem erkrankte Organe und geschädigte Gewebe nicht nur ausgebessert, sondern wiederhergestellt werden können. Die Entwicklung dieser neuartigen Biotechnologie führt zu neuen Therapiemöglichkeiten, einer höheren Lebensqualität für die Patienten und, nicht zuletzt, zur Möglichkeit, schrittweise den anhaltenden Mangel an Spenderorganen auszugleichen. Zu den ersten Produkten gehören künstliche Haut, Knorpel und Knochen. Die Tatsache, dass in der EU unterschiedliche Rechtsvorschriften gelten, behindert das Wachstum der Märkte für Gewebe-Engineering in Europa. Die Europäische Kommission strebt an, Rechtsvorschriften zu erarbeiten, mit denen die Zulassungsverfahren für die Vermarktung von Produkten bzw. Verfahren im Bereich der Humangewebezüchtung vereinheitlicht werden.

„Die Forschung auf dem Gebiet des Tissue-Engineerings ermöglicht in Kürze Verfahren, die für viele Patienten von entscheidender Bedeutung sein werden“, erklärte der Europäische Forschungskommissar Philippe Busquin. „Wir sind zwar vielleicht noch Jahre davon entfernt, Ersatzorgane züchten zu können, doch haben die Forschungsfortschritte bereits zur Schaffung eines neuen Biotechnologiesektors in Europa geführt.“

Aufgrund ihrer Besonderheit werden aus menschlichem Gewebe hergestellte Produkte nicht ausreichend von den EU-Rechtsvorschriften abgedeckt.

„Es wird gerade eine spezielle Verordnung über die Bedingungen für das Inverkehrbringen von Produkten des Tissue-Engineerings erarbeitet. Sie wird eine Reihe von Gemeinschaftsvorschriften einführen, die den Rechtsrahmen für die Marktteilnehmer klarstellen und gleichzeitig Nutzern und Patienten die höchstmögliche Sicherheit bieten sollen. Solche gemeinschaftlichen Vorschriften werden sicherstellen, dass Tissue-Engineering-Produkte innerhalb der EU frei verkehren können, so dass denjenigen, die sie benötigen, innovative Therapien angeboten werden können,” sagte der Europäische Kommissar für Unternehmen und Informationsgesellschaft Erkki Liikanen.

Der Bericht der Kommission, der vom Institut für Prospektive Technologische Studien der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU (GFS) in Sevilla ausgearbeitet wurde, stellt erstmalig umfassend die neu entstehende Industrie der Humangewebeherstellung in Europa dar. Aus dem Papier geht eindeutig hervor, dass das Wachstum dieser wissensbasierten Industrie behindert wird, weil EU-weite Zulassungsverfahren fehlen.

Wunden schneller heilen

Bei den derzeit auf dem Markt befindlichen Produkten handelt es sich um vergleichsweise einfache Gewebe wie Haut, Knorpel und Knochen. Bisher haben die Forscher noch keine Produkte durch Tissue-Engineering entwickelt, die einzigartige lebensrettende Funktionen hätten oder in Bezug auf Wirksamkeit oder Behandlungskosten herkömmlichen Verfahren deutlich überlegen wären. Es gibt alternative herkömmliche therapeutische Verfahren, die im Markt fest verankert sind.

Allerdings verbessern die im Tissue-Engineering hergestellten Produkte durchaus die Lebensqualität, weil Wunden möglicherweise schneller und besser heilen und wiederholte Operationen entfallen. Die Lage könnte sich in Zukunft ändern, wenn ausgereiftere und neuartige Produkte verfügbar werden, die im Vergleich der Wirksamkeit deutlich besser abschneiden oder die Behandlung von Erkrankungen ermöglichen, für die es sonst keine Therapie gibt. Hier besteht noch enormer wissenschaftlicher und technologischer Handlungsbedarf.

Ein junger und wachsender Sektor

Der europäische Sektor des Tissue-Engineerings ist durch junge, kleine forschungsbasierte und technologieorientierte Unternehmen gekennzeichnet. Insgesamt 113 europäische Unternehmen sind derzeit in Europa (EU25) auf diesem Gebiet tätig, 54 davon in der In-vitro-Herstellung von Geweben. Was Zahl und Größe der Unternehmen betrifft, ist die Situation in Europa ähnlich wie in den USA.

Umfang und Entwicklung des Marktes für Tissue Engineering und das Spektrum der kommerziellen Anwendungen stecken noch in den Kinderschuhen. Viele der Produkte befinden sich noch in frühen Entwicklungsstadien. Die beteiligten kleinen Biotechnologie-Unternehmen verfügen nicht über die nötigen Ressourcen, um in langfristigen klinischen Versuchen großen Maßstabs Informationen über das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Therapie im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren bereitstellen zu können. Vor allem weil keine Daten über das Kosten-Nutzen-Verhältnis vorliegen, zögern Versicherungsunternehmen, für Therapien mit den im Tissue-Engineering hergestellten Produkten aufzukommen.

Notwendigkeit eines speziellen Rechtsrahmens

Die geltenden Rechtsvorschriften unterscheiden sich derzeit von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat, was den freien Verkehr der im Tissue-Engineering gewonnenen Produkte behindert und das Wachstum dieses Marktes in der EU hemmt. Einige Maßnahmen sind auf EU-Ebene schon auf den Weg gebracht worden. Derzeit liegt den europäischen Institutionen eine Richtlinie über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für menschliches Gewebe und Zellen zur Beratung vor. Auch wird an Maßnahmen in Bezug auf Produktvermarktung und Verbrauchersicherheit gearbeitet. Diese neuen Rechtsvorschriften sollten auch für die Vermarktung von Produkten gelten, die im Tissue-Engineering hergestellt wurden, um den Schutz der Verbraucher und Nutzer sicherzustellen und einen reibungslos funktionierenden gemeinsamen Markt für diese Produkte zu ermöglichen.

Die Zukunft der im Tissue-Engineering hergestellten Produkte

Diese Produkte eröffnen neue Therapiemöglichkeiten. Man hofft, dass sie überlegene Therapien liefern und im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungsverfahren zu schnellerer, umfassenderer und nachhaltigerer Heilung führen. Insgesamt zielen die laufenden Forschungsarbeiten darauf ab, diese Produkte leistungsfähiger zu machen und ihre Anwendungsbereiche auszuweiten.

Die Entwicklung neuer Produkte steht kurz bevor, deren Anwendung Therapien von Erkrankungen ermöglichen könnte, die bisher nicht zufriedenstellend behandelt werden konnten, z.B. Herz- und Gefäß-erkrankungen (biotechnologisch hergestellte Herzklappen, Gefäßimplantate und Herzmuskelgewebe) oder neurodegenerative Erkrankungen (z. B. Alzheimer-Krankheit und Parkinson-Syndrom) sowie beschädigte Nervenfasern und Rückenmarksverletzungen.

Letztlich zielt das Tissue-Engineering auf die In-vitro-Herstellung menschlicher Organe ab, um den Mangel an Spenderorganen auszugleichen und die Behandlung von Krankheiten zu verbessern (Blase, Niere, Herz, Leber und Pankreas). Doch dieses Ziel liegt noch in weiter Ferne.

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Fabio Fabbi Europäische Kommission

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