Völlig neue Wege für die ambulante Bestimmung von Blutgruppenmerkmalen


Team aus der Angewandten Physikalischen Chemie der Universität Heidelberg gehört zu den ersten Siegern des dreistufigen Businessplan-Wettbewerbs genius biotech award – Im Parallelverfahren werden mehrere Blutmerkmale schnell und effektiv bestimmt

Die ersten Sieger des dreistufigen Businessplan-Wettbewerbs genius biotech award stehen fest: innovative Geschäftsideen im Bereich der Biotechnologie, die vom baden-württembergischen Wirtschaftsminister Dr. Walter Döring jetzt ausgezeichnet wurden. „Bemerkenswert ist die hohe wissenschaftliche Qualität und wirtschaftliche Bedeutung der eingereichten Projekte“, so Döring. Mit dabei ist ein Projekt aus der Angewandten Physikalischen Chemie der Universität Heidelberg, das der ambulanten Bestimmung von Blutgruppenmerkmalen völlig neue Wege eröffnet. Um eine Plattform für die Medizintechnik geht es Dr. Reiner Dahint, Dr. Eduard Petershofen, Claudia Gries und Berthold Völkel dabei. Zur Bestimmung von unterschiedlichen Blutgruppenmerkmalen wollen die Forscher ein neues Gerät entwickeln und herstellen. Ziel des Heidelberger Projektes ist es, die Blutgruppenbestimmung dadurch auch außerhalb medizinischer Einrichtungen, zum Beispiel in der Notfall- und Transfusionsmedizin, zu gewährleisten. Im Parallelverfahren werden mehrere Blutmerkmale schnell und effektiv bestimmt.

Der genius biotech award ist der erste internationale Businessplan-Wettbewerb des Landes Baden-Württemberg. Ziel des Wettbewerbs ist es, die Träger erfolgversprechender Geschäftsideen in der Biotechnologie bei der Unternehmensgründung zu unterstützen. „Mit hervorragenden Forschungsstätten, einer hohen Zahl qualifizierter junger Biotech-Unternehmen und bislang vier Bioparks haben wir gute Voraussetzungen geschaffen, jungen Unternehmen beim Start zu helfen“, lobt Döring den Standort Baden-Württemberg. Zur ersten Phase des Wettbewerbs reichten 106 potenzielle Gründer insgesamt 51 Ideen ein. Hier eine Beschreibung des Heidelberger Projekts:

Parallele Bestimmung von Blutgruppenmerkmalen mit µ-Ladi

Ziel des zu gründenden Unternehmens ist die Herstellung und Entwicklung neuartiger Geräte zur Bestimmung von Blutgruppenmerkmalen. Grundlage hierfür bildet eine neu entwickelte laseroptischen Methode (µ-Ladi), welche die schnelle und effektive Bestimmung mehrerer Blutgruppenmerkmale im Parallelverfahren erlaubt.

Allein in Deutschland werden jährlich etwa fünf Millionen Blutkonserven gesammelt, die richtliniengemäß auf die vorgegebenen Blutgruppenfaktoren hin untersucht werden müssen. Auf der Empfängerseite (dem Patientenblut) erfolgt ebenfalls eine Bestimmung der Blutgruppenmerkmale, hinzu kommt ein Abgleich der Blutgruppenfaktoren von Konserve und Empfänger.

Die Bestimmung der Blutgruppenfaktoren beruht grundsätzlich auf Antigen/ Antikörper-Erkennungsreaktionen, wobei typischerweise die wichtigsten 25 Blutgruppenmerkmale analysiert werden. Die Differenzierung erfolgt mit sogenannten Testseren. Diese Testseren werden derzeit in Kombination mit unterschiedlichen Analysetechniken eingesetzt (Inkubatorröhrchen, Mikrotiterplatten und Gelkarten). Bei all diesen Verfahren erfolgt die Bestimmung der Blutfaktoren sequentiell. Im günstigsten Fall dauert die Bestimmung eines typischen Satzes von Blutfaktoren einer einzelnen Blutprobe (AB0-System, Rhesusfaktoren, C, D, F und Kell-Faktor) etwa 45 Minuten. Mit jedem zusätzlich untersuchten Blutmerkmal vergrößert sich der zeitliche Aufwand.
Das Heidelberger Team hat ein innovatives, laseroptisches Verfahren (µ-Ladi) entwickelt, mit dem alle wichtigen Blutgruppenmerkmale in einem einzigen Untersuchungsschritt parallel ausgelesen werden können. Hierdurch wird ein wesentlicher Zeitvorteil gegenüber Konkurrenzprodukten erzielt, der sich in einer deutlichen Senkung der Labor- und Personalkosten niederschlägt. Die schnellere Bestimmung sowie die vollautomatische Auswertung ermöglicht auch einen Einsatz des Gerätes in der Notfallmedizin. Zusätzlich ist davon auszugehen, dass geringere Mengen an Blutmaterial eingesetzt werden können und damit ein zusätzlicher Vorteil insbesondere in der Kinderheilkunde gegeben ist.

Das Verfahren ermöglicht eine Reihe von Produkten im Feld Blutgruppenbestimmung. In den ersten drei Jahren der Geschäftstätigkeit wird das Heidelberger Team sich auf die Entwicklung und Markteinführung eines Einzelsensoren-Kompaktgeräts (Es-kompakt) beschränken. Nach der Markteinführung des Es-kompakt ist die Entwicklung eines mobilen Einzelsensor-Geräts (Es-mobil) für die Notfallmedizin geplant, sowie im Anschluss daran die Entwicklung eines Kleinautomaten.

Die zukünftigen Produkte zeichnen sich durch die folgenden Hauptmerkmale aus:
· kompakt/handlich; Grundfläche Es-kompakt entspricht einem DIN-A4-Blatt; Es-mobil hat das Format eines Handmultimeters
· wartungsfrei, automatisiert
· sehr einfache Bedienung
· Wegwerfsensor
· Messzeit < 30 Sekunden, Inkubationszeit 10 bis 15 Minuten
· parallele Bestimmung mehrerer Blutfaktoren (Sensorkosten gestaffelt nach Anzahl der Merkmale)

Zur Zeit werden die Messungen mit einem laseroptischen Aufbau durchgeführt, der auf einer optischen Platte mit ca. 60 x 80 cm Grundfläche installiert ist. Hiermit wurde bisher das parallele Auslesen von zwei Blutgruppenfaktoren gezeigt. Das nächste Ziel besteht darin, die Anzahl der Blutgruppenmerkmale pro Chip auf sechs bis acht zu erhöhen. Bei geeigneter Modifikation des aktuellen Konzeptes ist langfristig das parallele Auslesen von bis zu zwanzig Merkmalen vorstellbar. Bei der Entwicklung eines Kompaktgerätes kann auf Erfahrungen zurückgegriffen werden, die bereits bei der Herstellung kompakter, mobiler Messaufbauten für technisch verwandte Aufgabenstellungen gewonnen wurden.

Zur Herstellung der Sensorchips gibt es derzeit zwei alternative Produktionskonzepte, die hinsichtlich ihrer Qualität und Effizienz getestet, optimiert und miteinander verglichen werden sollen. Ein weiterer Aspekt ist die Immobilisierung unterschiedlicher Antikörpertypen, um Sensorchips für unterschiedliche Sätze von Blutgruppenfaktoren herzustellen. Besondere Bedeutung bei der Verfahrensoptimierung kommt der Kompatibilität der Einzelprozesse mit Massenproduktionstechniken zu. Auch hier existieren bereits Konzepte, die allerdings ebenfalls getestet und optimiert werden müssen.

Kontakt:
Berthold Völkel
Universität Heidelberg
Angewandte Physikalische Chemie,
Im Neuenheimer Feld 253, D-69120 Heidelberg
Tel. 06221 – 544926 oder 329016, Fax 546199 
Berthold.Voelkel@gmx.de

Rückfragen von Journalisten auch an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317 
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de

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