Krebsforscher der TU München und TU Dresden entdecken auf Tumorzellen neue Genvariante eines Protein

Krebsforscher der TU München und TU Dresden entdecken auf Tumorzellen neue Genvariante eines Proteins mit einer hohen Voraussagekraft für den Krankheitsverlauf bei Brustkrebspatientinnen

Wissenschaftler und Kliniker der Klinischen Forschergruppe der Frauenklinik (Direktorin: Prof. Dr. med. Marion Kiechle) des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München und dem Institut für Pathologie (Direktor: Prof. Dr. med. Gustavo Baretton) der Technischen Universität Dresden haben im Tumorgewebe von Brustkrebspatientinnen die Genvariante eines Proteins nachgewiesen, das mit einer hohen statistischen Sicherheit Vorhersagen für den Krankheitsverlauf von Brustkrebs-Patientinnen ermöglicht und das eine zentrale Rolle im Metastasierungsprozess dieser Krankheit zu spielen scheint. Dies berichten die Forschergruppen um PD Dr. Viktor Magdolen und Prof. Dr. Manfred Schmitt (beide TU München), PD Dr. Thomas Luther, Dr. Matthias Kotzsch und Dr. Axel Meye (alle TU Dresden) in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsjournals Thrombosis and Haemostasis vom 3. April 2003 (Vol. 89, S. 705-717).

Bei diesem Protein handelt es sich um eine bisher noch nicht beschriebene Variante des sogenannten Urokinase-Rezeptors. Die Konzentration dieser Rezeptor-Variante mit der technischen Bezeichnung „uPAR-del4/5“ im Tumorgewebe konnte mit von den Forschern entwickelten Messverfahren basierend auf der sog. LightCycler-Technologie bestimmt werden. Diese Rezeptor-Variante wurde in den Untersuchungen der Münchner und Dresdner Forscher im Tumorgewebe von Brustkrebs-Patientinnen nachgewiesen, nicht aber in gesunden Zellen. Zwischen dem Auftreten dieser Urokinase-Rezeptor-Variante und dem späteren Krankheitsverlauf besteht ein starker statistischer Zusammenhang; je höher die Expression der Rezeptor-Variante, um so kürzer die krankheitsfreie Überlebenszeit der Patientinnen nach operativer Entfernung des Primärtumors.

Zu der Studie
In der Studie wurde Tumorgewebe von 43 Patientinnen im Alter zwischen 33 und 88 Jahren postoperativ auf die Urokinase-Rezeptor-Variante und auf andere etablierte prognostische Marker untersucht. Der Krankheitsverlauf der Patienten wurde beobachtet und ermittelt, ob und zu welchem Zeitpunkt die Patienten einen Krankheitsrückfall erlitten und ob und zu welchem Zeitpunkt die Patienten verstarben. Nach einer Beobachtungszeit von bis zu 80 Monaten (im Durchschnitt 38 Monate) wurde der Zusammenhang zwischen den tumorassoziierten Faktoren und der krankheitsfreien Überlebenszeit bestimmt.

Bezüglich der Rezeptor-Variante wurden die Patientinnen in zunächst zwei nahezu gleich große Gruppen eingeteilt: eine Gruppe mit niedrigen Expressionswerten der Rezeptor-Variante im Tumorgewebe (49%), und eine mit erhöhten Werten (51%). Während unter den Patientinnen mit niedrigen Werten im Beobachtungszeitraum lediglich 31% nach einer bestimmten Zeit einen Rückfall erlitten, lag bei der Gruppe mit höheren Rezeptor-Werten die Rückfallquote mit 75% weitaus höher. Der statistische Zusammenhang zwischen dem erhöhten Auftreten der Rezeptor-Variante und dem Krankheitsverlauf war mit einem p-Wert von 0,0004 hoch signifikant.

Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die uPA-Rezeptor-Variante zwei Funktionen in der klinischen Anwendung haben könnte. Zum einen könnte die Rezeptor-Variante als Prognosefaktor verwendet werden, um bereits kurz nach der operativen Entfernung des Primärtumors Vorhersagen über den Krankheitsverlauf von Brustkrebs-Patientinnen machen zu können. Auf diese Weise könnten sowohl jene Brustkrebs-Patientinnen identifiziert werden, die einer besonderen Therapie bedürfen, als auch solche (Patientinnen) mit einem geringen Rückfall-Risiko, denen belastende Therapien erspart werden können. Zum anderen weisen die Ergebnisse der Untersuchungen darauf hin, dass die Rezeptor-Variante eine ursächliche Rolle in der Ausbreitung der Krankheit im Körper spielen kann und somit eine neue therapeutische Zielstruktur darstellt.

Die Forscher der TU München und TU Dresden untersuchen zur Zeit die prognostische Relevanz der Urokinase-Rezeptor-Variante an größeren Patientengruppen zur Validierung der Ergebnisse.

Über das uPA-System und die Rezeptor-Variante uPAR-del4/5
Der Urokinase-Rezeptor kommt als Bestandteil des Urokinase-Plasminogen-Aktivator Systems (uPA-System) in Tumoren in verschiedenen molekularen Formen und Varianten vor. Eine dieser Varianten ist die mit der Bezeichnung uPAR-del4/5, deren Existenz und Rolle als prognostischer Marker bei Brustkrebs und mögliche therapeutische Zielstruktur nun von den Forschern der TU München und TU Dresden erstmals nachgewiesen wurde. Das uPA-System spielt eine zentrale Rolle beim Wachstum und der Ausbreitung / Metastasierung solider maligner Tumore. Derzeit werden neuartige Medikamente gegen das uPA-System in klinischen Studien der Phase I an Tumorpatienten getestet., welche die Aktivität der Urokinase hemmen und damit zu einer Blockierung der Metastasierung führen. Das uPA-System besteht aus dem Plasminogenaktivator vom Urokinase-Typ (Urokinase, uPA), seinem physiologischen Inhibitor (PAI-1) und dem Urokinase-Rezeptor, der auf der Zelloberfläche von soliden Tumoren exprimiert wird. Das uPA-System ermöglicht es Tumorzellen, die sie umgebende extrazelluläre Matrix abzubauen, an andere Orte im Organismus auszustreuen und dort Metastasen zu bilden. Durch die Bindung der Urokinase an den Urokinase-Rezeptor auf der Oberfläche von Tumorzellen wird Plasminogen zu Plasmin aktiviert und dadurch der Abbau der extrazellulären Matrix ausgelöst, welches die Ausstreuung der Tumorzellen begünstigt.

Media Contact

Birgit Berg idw

Weitere Informationen:

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