Fieber im Reagenzglas statt im Versuchskaninchen

Der Ilse-Richter-Tierschutzforschungspreis 2000 ging in diesem Jahr an drei Forscher, die einen Test zur Marktreife gebracht haben, mit dem sich im Reagenzglas fieberauslösende Stoffe in Arzneimitteln nachweisen lassen. Sofern die Europäische Arzneibuchkommission zustimmt, kann dieser Test zukünftig den bisher vorgeschriebenen Pyrogentest am Kaninchen ersetzen.

Für ihre wissenschaftlichen Leistungen bei der Entwicklung eines Tests, der Tierversuche am Kaninchen zum Nachweis fiebererregender Stoffe in der Arzneimittelprüfung vollständig ersetzen kann, haben Dr. Matthias Fischer (Tierarzt am Paul-Ehrlich-Institut in Langen), Dr. Stefan Fennrich (Mediziner an der Uni Konstanz) und Markus Weigand (Pharmazeut an der Uni Heidelberg) am Freitag, 8. Dezember 2000, in der Tierärztlichen Hochschule Hannover den mit 30.000 DM dotierten Ilse-Richter-Tierschutz-Forschungspreis erhalten.

Die Preisträger brachten ein neues Verfahren zur Marktreife, das zum Nachweis fiebererregender Stoffe in Arzneimitteln indirekt die natürliche Fieberreaktion des Menschen nutzt. Bisher musste für diesen Nachweis bei bestimmten Arzneimitteln der sogenannte Kaninchen-Pyrogentest durchgeführt werden.

Das neue Verfahren der drei Forscher baut auf einem Test von Prof. Albrecht Wendel, dem Inhaber des Lehrstuhls für biochemische Pharmakologie der Universität Konstanz und seinem Mitarbeiter, Privat-Dozent Dr. Thomas Hartung, auf. Sie hatten 1995 erstmals die Idee, als Maß für die fieberauslösende Wirkung den Botenstoff zu messen, der die Information über Verunreinigungen im Blut zum Fieberzentrum im Gehirn übermittelt. Diese Messung kann im Reagenzglas durchgeführt werden. Sie hat den Vorteil, menschliches Blut zu benutzen. So wird bei diesem Test auch das generelle Problem von Tierversuchen gelöst, das darin besteht, die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen einzuschätzen.

Die Umsetzung der Idee von Wendel und Hartung in die Praxis war allerdings ein langer Weg. Das neue Testsystem musste nicht nur in eine handhabbare Form gebracht werden, sondern auch beweisen, dass es mindestens genauso sicher ist wie der Tierversuch. Nur wenn dies gewährleistet ist, besteht die Hoffnung, dass die Europäische Arzneibuchkommission entscheidet, den Kaninchen-Pyrogentest in der Arzneimittelprüfung abzuschaffen.

Die drei Preisträger nahmen sich der Aufgabe an, ein solches Testsystem zu entwickeln und zu optimieren. In den letzten drei Jahren ist es ihnen mit Hilfe ihrer Laborteams gelungen, den Test zur Marktreife zu führen. Damit hängt es nun nur noch von der Zustimmung der Europäischen Arzneibuchkommission ab, ob zukünftig je ein Tropfen Blut ausreicht, um drei Kaninchen den Versuch zu ersparen. Pro Jahr könnte so europaweit auf Versuche mit 100.000 Kaninchen verzichtet werden, allein in Deutschland wären es 20.000 Tiere pro Jahr.

Der Kaninchen-Pyrogentest und bisherige Alternativen dazu
Für die Sicherheit der Patienten ist es unverzichtbar, dass Arzneimittel frei von fieberauslösenden Verunreinigungen (Pyrogenen) sind, da diese schwerwiegende und zum Teil lebensbedrohende Schockzustände verursachen können. Der Gesetzgeber verlangt aus diesem Grund Sicherheitsprüfungen, für die seit ca. 50 Jahren ein Tierversuch am Kaninchen durchgeführt wird. Dieser Test und seine Durchführung sind im Europäischen Arzneibuch festgeschrieben. Für jedes Arzneimittel, das getestet wird, werden dabei drei Tiere benötigt, deren Fieberreaktion man misst. Sollte eine Wiederholung notwendig sein, müssen weitere drei Tiere eingesetzt werden.

Eine erste Alternativmethode, der LAL-Test (Limulus-Amöbozyten-Lysat-Test), funktioniert nicht bei allen Arzneimitteln, weil es beispielsweise bei Blutzubereitungen zu störenden Kreuzreaktionen kommt, die das Ergebnis verfälschen.

Der Ilse-Richter-Tierschutz-Forschungspreis
Der Verband Niedersächsischer Tierschutzvereine verleiht alle drei Jahre den Ilse-Richter-Tierschutz-Forschungspreis „für hervorragende wissenschaftliche Arbeiten aus dem deutschen Sprachraum, deren Ziel bzw. Ergebnis es ist oder sein kann, Versuche mit oder an lebenden Tieren bei der Entwicklung, Prüfung und Kontrolle von chemischen und pflanzlichen Stoffen, insbesondere im Bereich der Arzneimittel, Lebensmittelzusatzstoffe und Bedarfsgegenstände sowie bei der Entwicklung medizinischer Techniken einzuschränken, zu ersetzen und soweit wie möglich entbehrlich zu machen“. Der Preis ist dotiert mit 20.000 Mark. Da es in diesem Jahr drei Preisträger gab, ist die Dotation ausnahmsweise auf 30.000 Mark erhöht worden. Der Preis ist benannt nach der Tierschützerin Ilse Richter, die ihr Vermögen dem Tierschutzbund vermacht hat.

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