Durch und durch strukturiert

Mini-Kristalle als Bausteine: Hochgeordnete Materialien durch selbstorganisiertes Kristallwachstum

Materialwissenschaftler sind an Ordnung interessiert. Nicht an der auf ihren Labor- oder Schreibtischen, nein, der mikroskopischen Welt gehört dabei ihre Aufmerksamkeit. Denn winzige hochgeordnete Strukturen sind von vielfältiger technischer Bedeutung, etwa für opto-elektronische Bauelemente und die Nanotechnologie oder als Katalysatoren. In den Sandia National Laboratories in Albuquerque hat eine Gruppe um Jun Liu jetzt eine interessante neue Klasse von hierarchisch aufgebauten Materialien entwickelt. Sie bestehen aus einzelnen mikroskopisch kleinen Kristallen, die sich spontan zu großen Kristallen und anderen geordneten Verbänden zusammenlagern. Das Besondere: Form und Orientierung der Kristall-Bausteine werden dabei bewahrt.

Ausgangsmaterial ist die wässrige Lösung einer organischen Siliciumverbindung, die außerdem ein Tensid enthält. In diese Lösung tauchen die Wissenschaftler einen Objektträger senkrecht ein, der als Unterlage für das Kristallwachstum dient. Auf der Glasoberfläche bilden sich zunächst einzelne, sehr gleichmäßige, gleich große Kriställchen in der Form von Oktaedern. Wurde der Objektträger zuvor mit feinen Linien aus Kunststoff beschichtet, ordnen sich die Mini-Oktaeder entlang dieser Linien an und bilden so ein ausgedehntes Muster auf dem Träger. Aber die Mini-Oktaeder können noch viel mehr: Mehrere Oktaeder können zu größeren Objekten zusammenwachsen, die nun wiederum mit ihresgleichen verschmelzen – und so fort. Auf diese Weise entstehen größere Strukturen „höherer Ordnung“ mit definierten symmetrischen Formen. Da die Mini-Oktaeder nicht nur gemeinsame Flächen, sondern auch lediglich gemeinsame Kanten aufweisen können, sind die Gebilde nicht dicht gepackt, sie enthalten große Lücken. Ein solcher Aufbau ist für Kristalle sehr ungewöhnlich.

Durch unterschiedliche Stapelung oder Abflachen der Kristalle an verschiedenen Oberflächen entstehen vielfältige Geometrien. So erhielten Liu und Mitstreiter unter anderem größere Oktaeder, Rosetten, stern- und blumenartige Gebilde, rhombische Figuren und würfelförmige Käfige. Diese Formenvielfalt lässt sich gezielt über die Versuchsbedigungen, wie die Temperatur oder die Tensid-Konzentration, beeinflussen.

Liu erhofft sich von seinem neuen Kristalltypus Anstöße für die Entwicklung neuartiger Materialien, aber auch weitere Erkenntnisse, wie derartig komplexe Selbstorganisationsprozesse, die auch beim Aufbau von Biomaterialien eine wichtige Rolle spielen, ablaufen.

Kontakt: Prof. Jun Liu
Biomolecular Materials and Interfaces Department
Sandia National Laboratories
Albuquerque
NM 87185
USA

Fax: (+1) 505-844-5470
E-mail: jliu@sandia.gov

Angewandte Chemie Presseinformation Nr. 04/2003
Angew. Chem. 2003, 115 (4), 429 – 433

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