Arktische Algen ernten

Fraunhofer-Forscher auf der spitzbergischen Insel Amsterdamoya. Sie suchen nach extremophilen Algen, die hier den Schnee im Vordergrund blutrot färben. <br>© Fraunhofer IBMT <br> <br> <br> <br>

In den Tiefen der Ozeane nutzen Mikroorganismen unter für Menschen gnadenlosen Bedingungen heiße Quellen für ihre Energie- und Stoffproduktion. Einige Bakterien und Algen fühlen sich im kochenden Wasser von Geysiren pudelwohl, andere in Säuretümpeln oder Salzseen, und wieder andere besiedeln Gletscher und Schneefelder. Auf der Suche nach unbekannten extremophilen Lebensformen bereisen Forscher seit einigen Jahren die entlegensten Winkel der Erdteile. Dabei geht es ihnen nicht allein um die Charakterisierung der Organismen und ihrer exotischen Stoffwechselprozesse, wie Jörg Degen vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB erklärt: »Bei der biotechnologischen Produktion verschiedenster Substanzen bieten extremophile Einzeller Vorteile. Gewöhnliche Kollegen finden die extremen Bedingungen im Bioreaktor alles andere als angenehm und können kaum konkurrieren.« Soll heißen: Der Aufwand für die Sterilisierung der Apparaturen und die Gefahr, dass ein Ansatz »umkippt«, sind geringer. Der Biologe muss es wissen – schließlich ist er am ausgegründeten Stuttgarter Unternehmen SUBITEC beteiligt, das in naher Zukunft mit Algen einen roten Lebensmittelfarbstoff im Kilomaßstab produzieren will. Der Markt für Astaxanthin ist groß: Allein in der Lachszucht verschlingt dieser Farbstoff, der bislang synthetisch oder mit genetisch veränderten Bakterien erzeugt wird, mehr als zehn Prozent der gesamten Kosten.

Doch auch in anderen Feldern sind Extremophile höchst interessant. »Gerade Psychrophile, also solche Mikroorganismen, die sich etwas oberhalb des Gefrierpunkts wohlfühlen und vermehren, eignen sich als natürliche Produzenten bisher unbekannter Enzyme«, weiß Thomas Leya vom Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT. »Wir sind optimistisch, dass sich einige der Biokatalysatoren in temperatursensiblen Prozessen wie der Milchverarbeitung vorteilhaft einsetzen lassen. Daher hat sich unsere Arbeitsgruppe auf Algen spezialisiert, die wir auf arktischen Schneefeldern finden.« Warum durchsuchen die Forscher keine Alpengletscher, die ebenfalls vom »Blutschnee« bestimmter Algen bedeckt sein können? In Spitzbergen, wohin IBMT-Forscher Ende August aufbrachen, sind die Schneefelder noch jungfräulich sauber und wenig erforscht. Auch von dieser Expedition werden sie neue Algenarten nach Berlin mitbringen. Am Zentrum für Biophysik und Bioinformatik der Humboldt-Universität untersuchen und kultivieren sie die kleinen Lebewesen – als zukünftige Ressourcen für Pharma- und Lebensmittelproduzenten.

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Dipl.-Biol. Jörg Degen Mediendienst

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