Neues Risiko-Gen für das Restless Legs Syndrom entdeckt

Seit Jahren versuchen Ärzte und Wissenschaftler die Ursachen der Erkrankung mit Hilfe genetischer Untersuchungen zu klären. Jetzt gelang es, PTPRD, eine Protein-Tyrosin-Phosphatase, als neues Risiko-Gen für RLS zu identifizieren.

Insgesamt sind nunmehr vier RLS-Gene durch genomweite genetische Studien entdeckt. Träger von Risiko-Sequenzvarianten in diesen Genen haben ein erhöhtes Risiko an RLS zu erkranken. Aufgrund der bekannten Funktionen der identifizierten Gene könnte es sich beim RLS um eine frühe Entwicklungsstörung des zentralen Nervensystems handeln.

„Ich bin hundemüde, trotzdem zwingen mich meine Beine zum Aufstehen. Nur durch Umhergehen verschwindet das unangenehme Ziehen und Reißen in den Waden“. So oder ähnlich berichten RLS-Patienten von ihren nächtlichen – teilweise auch tagsüber in Ruhephasen auftretenden – Beschwerden. Der gestörte Schlafrhythmus mit den entsprechenden Folgen am Tage wird für viele Betroffene zur Belastung im Beruf und in der Partnerschaft. Obwohl das RLS zu den häufigsten neurologischen Krankheitsbildern zählt, wird es nach wie vor häufig nicht erkannt oder falsch diagnostiziert.

Das Institut für Humangenetik am Helmholtz Zentrum München und an der Technischen Universität München sowie das Max-Planck-Institut (MPI) für Psychiatrie arbeiten seit vielen Jahren daran, Entstehungsmechanismus, Diagnostik und Therapie des RLS zu verbessern. Mit einem internationalen Konsortium unter Leitung von Privatdozentin Dr. Juliane Winkelmann und Prof. Thomas Meitinger untersuchten die Münchner Wissenschaftler insgesamt 2458 RLS-Patienten und 4749 gesunde Probanden der Populationsstudie KORA, die von Prof. H.- Erich Wichmann vom Institut für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München geleitet wird. Für die statistischen Analysen war Prof. Bertram Müller-Myhsok vom MPI für Psychiatrie verantwortlich.

Analysiert wurden Sequenz-Varianten (SNPs), die über das gesamte Genom verteilt waren. Beim Vergleich der Sequenzen zwischen Patienten und Kontrollen konnten Varianten im PTPRD-Gen identifiziert werden, die vermehrt bei RLS-Patienten auftreten, aber seltener bei den gesunden Probanden vorkommen.

Der Genname PTPRD steht für Protein-Thyrosin-Phosphatase-Receptor-Typ-Delta. Das entsprechende Protein ist im Tiermodell untersucht und spielt bei der korrekten Wegfindung der Nervenzellfortsätze zu den so genannten Motorneuronen eine Rolle. Diese Neurone steuern direkt oder indirekt die Muskulatur, beispielsweise der Beine. Damit ist auch PTPRD, wie bereits die zuvor identifizierten RLS-Risiko-Gene MEIS1, BTBD9 und LBXCOR1 wichtig für die frühe Embryonalentwicklung des Organismus. Das ist ein weiterer Hinweis, dass es sich beim RLS um eine sehr frühe Entwicklungsstörung des zentralen Nervensystems handeln könnte.

Mit den identifizierten RLS-Risiko-Genen ist erstmalig eine gezielte molekulargenetische Ursachenforschung für das Restless Legs Syndrom möglich geworden und eine Grundlage zur Verbesserung der Therapie geschaffen.

Originalveröffentlichung:

Barbara Schormair, David Kemlink, Darina Roeske, Gertrud Eckstein, Lan Xiong, Peter Lichtner, Stephan Ripke, Claudia Trenkwalder, Alexander Zimprich, Karin Stiasny-Kolster, Wolfgang Oertel, Cornelius G Bachmann, Walter Paulus,Birgit Högl, Birgit Frauscher, Viola Gschliesser, Werner Poewe, Ines Peglau,Pavel Vodicka, Jana Vávrová, Karel Sonka, Sonja Nevsimalova, Jacques Montplaisir, Gustavo Turecki, Guy Rouleau, Christian Gieger, Thomas Illig, H. -Erich Wichmann, Florian Holsboer, Bertram Müller-Myhsok, Thomas Meitinger, Juliane Winkelmann: (PTPRD) protein tyrosine phosphatase receptor type delta is associated with restless legs syndrome. Nature Genetics, Advance Online Publication, 27.7.2008

DOI: 10.1038/ng.190 (http://dx.doi.org/)

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Michael van den Heuvel idw

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