Neue "DNA-Kopierer" für die Biotechnologie

Aus einem winzigen Bluttropfen oder einer einzigen Hautschuppe können Rechtsmediziner heute einen genetischen Fingerabdruck bestimmen, mit dem sich feststellen lässt, von welcher Person das Zellmaterial stammt. Möglich wurden diese Fortschritte erst, seit die Wissenschaft die Erbgut-Kopierer der Zelle, die so genannten DNA-Polymerasen, für ihre Zwecke nutzt. Aus Molekularbiologie und Biochemie sind DNA-Polymerasen heute nicht mehr wegzudenken. Eine Nachwuchsgruppe an der Universität Bonn möchte nun das Einsatzspektrum der Erbgut-Kopierer noch erweitern; die Volkswagenstiftung unterstützt die Wissenschaftler um Dr. Andreas Marx mit 1,24 Millionen Euro.

Der Geistesblitz, dem Kary Mullis seinen Nobelpreis für Chemie verdankt, sollte die Molekularbiologie revolutionieren. Tag für Tag teilen sich Millionen von Zellen in unserem Körper. Vor jeder Teilung verdoppelt ein „DNA-Kopierer“ die Erbinformationen, die dann auf die beiden Tochterzellen verteilt werden. „Wieso nicht diese DNA-Polymerasen nutzen, um die Erbsubstanz im Labor so lange zu vervielfältigen, bis die Menge ausreicht, um sie zu analysieren?“, dachte der Amerikaner und entwickelte eine Methode, die heute als Polymerase-Kettenreaktion (PCR) zum Standardrepertoire von Chemikern und Biologen gehört. Denn mittels PCR lassen sich nicht nur binnen weniger Stunden aus einem einzigen DNA-Strang Millionen identischer Kopien herstellen, sondern beispielsweise auch mit trickreichen Methoden die Sequenz der DNA-Basen – der „Buchstaben“ in der Bauanleitung jedes Menschen – bestimmen.

Leider unterlaufen den Polymerasen bei ihrer Kopierarbeit Fehler: Etwa jeder millionste „Buchstabe“ in einer Abschrift ist falsch, die PCR für manche Anwendungen daher nicht so genau, wie es sich die Wissenschaftler wünschen. „Wir versuchen, die Genauigkeit der DNA-Polymerasen zu verbessern“, erklärt der Bonner Chemiker Dr. Andreas Marx. „Einerseits wollen wir die Grundbausteine der Erbsubstanz, die Basen, chemisch modifizieren, um dadurch Fehler zu reduzieren. Außerdem möchten wir die Polymerase mit gentechnischen Methoden so verändern, dass sie mit den neuen Bausteinen auch effektiv arbeiten kann.“ Beim ersten Schritt kann der 34-Jährige schon Erfolge vorweisen: Indem er die Basen durch chemische Verknüpfung mit einem kleinen Molekül künstlich vergrößerte, konnte er die Fehlerquote deutlich senken. Vermutlicher Grund: Die unveränderten DNA-Bausteine haben ein wenig „Spiel“ – ähnlich wie bei einem schlecht gearbeiteten Puzzle, bei dem man Teile an die falsche Stelle zwängen kann. Mit den künstlich vergrößerten DNA-Bausteinen reduziert sich dieser Spielraum; die Polymerase ist gezwungen, bei ihrer Kopierarbeit auch wirklich den korrekten Baustein einzubauen. „Allerdings sinkt mit der Modifikation auch die Kopiergeschwindigkeit. Unser nächstes Ziel ist es daher, eine veränderte Polymerase herzustellen, die die Basen schneller miteinander verknüpfen kann.“

Außerdem möchte Dr. Marx mit seiner Nachwuchsgruppe versuchen, völlig neue DNA-Polymerasen herzustellen. Ähnlich wie es Handschuhe für die rechte und die linke Hand gibt, könnten in der Natur theoretisch auch zwei verschiedene Arten von DNA existieren, die spiegelbildlich zueinander aufgebaut sind. Tatsächlich aber konnten die Wissenschaftler bislang in allen untersuchten Lebewesen lediglich „rechtshändige“ DNA finden, nicht jedoch das „linkshändige“ Pendant. Denn wie auch ein rechter Handschuh nur an die rechte Hand passt, können natürliche Polymerasen nur diese eine Form synthetisieren. Dementsprechend gibt es zwar eine Reihe von Zelleiweißen, die „rechtshändige“ DNA abbauen können, für „linkshändige“ DNA dagegen existieren derartige Mechanismen nicht. Die Bonner Wissenschaftler wollen nun eine Polymerase herstellen, die „linkshändige“ DNA produziert. Ihre Hoffnung: So könnte man vielleicht Medikamente produzieren, die vom Körper nicht oder nur sehr langsam abgebaut werden. Bereits heute können Mediziner mit geeigneten DNA-Molekülen – so genannten Aptameren – Zelleiweiße spezifisch in ihrer Funktion behindern und so Fehlfunktionen korrigieren. „Rechtshändige“ DNA wird aber sehr schnell abgebaut; ihrem „linkshändigen“ Pendant könnte dagegen dauerhafterer Erfolg beschieden sein.

Ansprechpartner für die Medien: Dr. Andreas Marx, Kekulé-Institut für Organische Chemie und Biochemie der Universität Bonn, Tel.: 0228/73-4808, Fax: 0228/73-5388, E-Mail: a.marx@uni-bonn.de

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Frank Luerweg idw

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