Auch Taufliegen haben ein Orientierungsgedächtnis

Um in ihrer Umgebung zurechtzukommen, müssen sich Tiere den Ort eines angestrebten Ziels merken können für den Fall, dass sie es vorübergehend aus dem Auge verlieren. Diese Fähigkeit, als Orientierungsgedächtnis bezeichnet, ist von Primaten bekannt und wurde nun auch bei Taufliegen nachgewiesen. „Wir können jetzt tatsächlich sagen: Fliegen haben ein Orientierungsgedächtnis“, teilt Univ.-Prof. Dr. Roland Strauss vom Institut für Zoologie der Universität Mainz mit.

Untersuchungen seiner Arbeitsgruppe haben gezeigt, dass Fliegen die Position eines Objekts für mehrere Sekunden erinnert haben, nachdem das Objekt aus ihrer Umgebung entfernt worden war. Die Wissenschaftler stellten zudem fest, dass dieses Orientierungsgedächtnis von einer kleinen Gruppe Neuronen gebildet wird. Die Ergebnisse der Mainzer Neurobiologen hat das Wissenschaftsjournal Nature vergangene Woche online veröffentlicht.

Für ihre Untersuchungen haben die Wissenschaftler um Roland Strauss aus einem zylinderförmigen Bildschirm eine Art 360-Grad-Kino konstruiert und das Untersuchungsobjekt, die Taufliege Drosophila melanogaster, in diesen Zylinder gesetzt. Der Fliege wurden nun visuelle Objekte in Form vertikaler schwarzer Streifen gezeigt. „Wir haben zwei Objekte an unterschiedlichen Stellen präsentiert und beide nacheinander verschwinden lassen.

Nachdem das erste Objekt nicht mehr zu sehen war, orientierte sich die Fliege auf das zweite hin. Als dieses ebenfalls entfernt wurde, ging die Fliege wieder in Richtung auf das erste Objekt, obwohl es nicht mehr zu sehen war“, beschreibt Strauss die Versuchsanordnung. Das Verhalten der Fliegen, die in der Umgangssprache auch als Fruchtfliegen bezeichnet werden, lässt darauf schließen, dass sie die Position ihres ersten Ziels für mindestens vier Sekunden in einem Orientierungsgedächtnis speichern.

Vermutet wird, dass sich die Tiere durch diese Fähigkeit auch in einer komplexen natürlichen Umgebung auf ihr Ziel hinbewegen können, auch wenn sie es vorübergehend nicht sehen und selbst wenn sie einen Umweg zurücklegen müssen. „Die Strategie wird auch als Wegintegration bezeichnet und ist von anderen Insekten wie Ameisen und Bienen bekannt“, so Strauss.

Davon ausgehend, dass ein Signalweg benutzt wird, der für operantes Lernen, also Lernen durch Ausprobieren, zuständig ist, konnten die Wissenschaftler außerdem die zuständige Gehirnregion für diese Fähigkeit lokalisieren. Zuständig ist demnach eine kleine Gruppe von 40 Neuronen im sogenannten Ellipsoidkörper des Fliegengehirns.

Hierbei spielen die Ringneuronen im Ellipsoidkörper eine wesentliche Rolle als „Prozessoren“ der Impulse. „An dieser Stelle ist das Gedächtnis vorhanden. Ist diese Stelle gestört, findet kein Erinnern statt. Ist sie intakt, genügt die kleine Anzahl von Zellen für ein funktionierendes Orientierungsgedächtnis.“ Die Neurobiologen vermuten, dass das gleiche Neurotransmittersystem, das für das visuelle Orientierungsgedächtnis im präfrontalen Cortex von Affen verantwortlich ist, auch für das Orientierungsgedächtnis im Zentralkomplex der Fliegen zuständig ist.

Kontakt und Informationen:
Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Roland Strauß
Institut für Zoologie, Abt. 3: Neurobiologie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. +49 6131 39-25034
Fax +49 6131 39-25443
E-Mail: rstrauss@uni-mainz.de

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