Meeresmikrobe wandelt Kohlendioxid in Energiebausteine

Eine neue Möglichkeit, das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid in energiereiche und schadfreie Verbindungen umzuwandeln, haben Forscher der Technischen Universität München in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universitäten Regensburg und Freiburg gefunden. Die Meeresmikrobe Ignicoccus hospitalis baut in ihren Stoffwechselprozessen aus Kohlendioxid höhere organische Verbindungen auf, die Bausteine für Zucker und Aminosäuren sind. Wie genau der einzellige Organismus dies bewerkstelligt, haben die Forscher jetzt aufklären können.

Wenn der Mensch einen Muskel bewegt, wird der sogenannte Citrat-Zyklus in Gang gesetzt, bei dem bestimmte Enzyme Zucker oder Fettsäuren abbauen. Dabei entsteht das Acetyl-Coenzym A, das zur Herstellung energiereicher Verbindungen gebraucht wird, und Kohlendioxid. Der Ignicoccus, der zur Domäne der Archaeen – der „Urform des Lebens“ – gehört, macht es genau andersherum. Auf dem Grund der Tiefsee ohne Licht und Sauerstoff nutzt der Mikroorganismus eine Art modifizierten Citrat-Zyklus, bei dem Kohlendioxid aufgenommen und in die für sein Leben nötigen Stoffe umgewandelt wird.

Auch bei dem Stoffwechselprozess der Mikrobe spielt das Acetyl-Coenzym A eine wichtige Rolle, es schleust nämlich das Kohlendioxid in den Kreislauf ein. An einer zweiten Stelle kommt ein weiteres Kohlenstoffatom aus „eingeatmetem“ Kohlendioxid zu dem Molekül dazu, sodass am Ende des Reaktionsprozesses eine Acetyl-Verbindung mit vier Kohlenstoffarmen steht. Aufgespalten in zwei neue Acetyl-Coenzym-A-Einheiten, gelangt die eine Verbindung zurück in den Zyklus, während die andere als Grundbaustein für Zucker und Aminosäuren zur Verfügung steht. Mit Hilfe von Isotopenuntersuchungen und Magnetresonanz-Spektroskopie konnten die Forscher dem sogenannten Kohlenstofffixierungs-Prozess in den Mikroben nun auf die Spur kommen. „Dieser sehr zentrale Stoffwechselweg wurde bisher schlicht übersehen“, so Biochemiker Wolfgang Eisenreich von der TU München gegenüber pressetext.

Der Ignicoccus-Organismus lebt in unwirtlichen Bedingungen in der Tiefsee in heißen, vulkanischen Schloten und ist dabei Temperaturen von bis zu 90 Grad Celsius ausgesetzt. Dass er diesen widrigen Umständen trotzen und überleben kann, verdankt er seinen Enzymen und Zellmembranen, die sich an die mörderischen Umgebungsbedingungen angepasst haben. Könnte man derart widerstandsfähige Organismen für industrielle Prozesse nutzen, wäre dies ein Weg zu neuen, Energie sparenden Verfahren, hofft Eisenreich. „Mit unseren Untersuchungen haben wir die Basisinformationen erbringen können, die gebraucht werden, um auf dem Gebiet weiterforschen zu können. Nun sind Biotechnologen gefragt, mögliche industriell verwertbare Verfahren aus unseren Erkenntnissen zu entwickeln und zur Anwendungsreife zu führen“, so der Biochemiker. „Bis dahin ist es sicherlich noch ein ziemlich langer Weg, aber ein Anfang ist gemacht.“

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Claudia Misch pressetext.deutschland

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