25 Jahre Forschung – Geschichte eines Signalpfads

Nur eine Hand voll Signalwege steuert diese Entwicklung. Sie sind dabei genau aufeinander abgestimmt, damit es nicht zu Fehlentwicklungen oder zur Tumorbildung kommt. Einer der bisher am besten erforschten Signalwege ist der „Wnt-Signalweg“, der vor 25 Jahren erstmals beschrieben wurde.

Der Zellbiologe Walter Birchmeier, Forschungsgruppenleiter am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, der in den vergangenen Jahren wichtige Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet erzielt hat, und seine Doktorandin Alexandra Klaus haben für Nature Reviews Cancer einen Übersichtsartikel verfasst, der jetzt (Vol. 8, Nr. 5, pp. 387 – 398)* erschienen ist.

1982 entdeckten Roel Nusse (jetzt an der Stanford University, USA) und Harold Varmus (jetzt am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, New York, USA) das erste Gen des Wnt-Signalweges: Int1. Sie stellten fest, dass Mäuse, bei denen sie das Gen künstlich aktivierten, an Brustkrebs erkrankten. Zur gleichen Zeit zeigte die spätere Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard, jetzt am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, dass die Fruchtfliege Drosophila melanogaster ohne das Gen Wingless keine Flügel entwickelt. Wie sich herausstellte, handelt es sich bei Wingless um das gleiche Gen, das Nusse bei den Mäusen entdeckt hatte. Nusse schlug daraufhin vor, die Namen Wingless und Int1 zu „Wnt“ zu verschmelzen. Seitdem haben Forscher mehr als 100 weitere Gene entdeckt, die in diesem Signalpfad eine Rolle übernehmen.

Wnt-Signale bewahren Stammzellen-Reservoir
In der gesunden Zelle löst das Wnt-Signal eine komplizierte Signalkaskade aus, die auch bis heute noch nicht vollständig verstanden ist. Forscher wissen, dass das Signal bis in den Zellkern, die Schaltzentrale der Zelle, vordringt und dort Gene aktiviert. Doch nicht nur während der Entwicklung vom Embryo zum ausgewachsenen Lebewesen ist der Signalpfad aktiv. Auch in Stammzellen kommt er zum Einsatz. So sorgen Wnt-Signale dafür, dass diese Zellen sich nicht schnell zu bestimmten Körperzellen spezialisieren, sondern die grundsätzliche Fähigkeit beibehalten, sich in die verschiedensten Zellen des Körpers entwickeln zu können. Stammzellen bilden das Reservoir, aus dem sich immer wieder Zellen erneuern, wie Epithelzellen, die zum Beispiel die Haut bilden und innere Organe wie den Magen auskleiden. Die Aufgabe des Wnt-Signalpfads ist es somit, das Reservoir an Stammzellen nicht „austrocknen“ zu lassen.
Krebs durch falsche Signale
1993 zeigten verschiedene Forscher wie Bert Vogelstein und Kenneth Kinzler (jetzt beide an der Johns Hopkins University in Baltimore, USA), dass eine Verbindung zwischen dem Wnt-Signalweg und der Entstehung von Krebs besteht. Schon damals war bekannt, dass eine Mutation des APC-Gens Dickdarmkrebs auslöst. Was jedoch neu war: APC beeinflusst einen der Hauptakteure (ß-Catenin) des Wnt-Signalweges. Ist das APC-Gen aktiv, wird dieser Hauptakteur abgebaut und der Wnt-Signalweg ist stillgelegt. Die Mutation des Gens verhindert den Abbau, ß-Catenin gelangt in den Zellkern und schaltet dort Gene an. Dieser Vorgang gilt seither als Initialzündung für Dickdarmkrebs.

Auch in den sogenannten Krebsstammzellen spielt der Wnt-Signalweg eine Rolle. Viele Wissenschaftler vermuten hinter diesen Zellen den eigentlichen Ursprung von Tumoren. Krebsstammzellen eignen sich Merkmale der Stammzellen an, indem sie Programme aktivieren, die der Körper während seiner Entwicklung als Embryo genutzt hat – so auch den Wnt-Signalweg. Jörg Hülsken, jetzt am Schweizer Krebsforschungsinstitut in Lausanne und früher Mitarbeiter von Walter Birchmeier, konnte kürzlich zeigen, dass ß-Catenin die Stammzelleigenschaften von Hautkrebszellen aufrecht hält. „Da der Wnt-Signalweg in gesunden Hautzellen keine wichtige Rolle spielt“, so Walter Birchmeier, „wäre er ein mögliches Ziel, um Krebsstammzellen zu bekämpfen.“

Doch auch andere Krankheiten können durch falsche Aktivierung des Wnt-Signalpfades entstehen. So sind einzelne Komponenten des Signalpfades an der Entstehung von Herz- und Augenkrankheiten, aber auch von Erkrankungen des Gehirns wie Alzheimer und Schizophrenie beteiligt.

„In den nächsten 25 Jahren wollen wir weitere Komponenten des Wnt-Signalpfades identifizieren und besser verstehen, wie diese miteinander agieren“, erläutert Alexandra Klaus. So könnte dieses Verständnis in Zukunft zu neuen Medikamenten führen, die den Wnt-Signalweg blockieren. „Da er jedoch auch von Stammzellen gebraucht wird, ist dies nicht so einfach wie man sich vielleicht vorstellt“, gibt die Forscherin zu bedenken.

*Wnt signalling and its impact on development and cancer

Alexandra Klaus1 and Walter Birchmeier1

1Max Delbrück Centre for Molecular Medicine, Robert-Roessle-Strasse 10, 13125 Berlin, Germany.

Barbara Bachtler
Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
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