Menschliches Blutgefäßsystem in der Maus

Um zu überleben, nutzen Tumoren die Blutversorgung des Körpers für ihre Zwecke: Sie regen das Wachstum von Blutgefäßen an, die den Tumor versorgen. Mediziner blockieren diesen Prozess, um so Tumoren zurückzudrängen. Wissenschaftler des gemeinsamen Forschungsbereichs Vaskuläre Biologie der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) haben gemeinsam mit Freiburger Kollegen ein Verfahren entwickelt, mit dem sich ein komplexes menschliches Blutgefäßsystem in der Maus erzeugen lässt.

Damit können sie den Einfluss von Tumoren auf das intakte menschliche Blutgefäßsystem untersuchen und Wirkstoffe für die Therapie testen.

Die Neubildung von Blutgefäßen, die Angiogenese, ist eine Achillesferse des Tumorwachstums. Denn ohne die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen sind Tumoren nicht lebensfähig. Seit einigen Jahren werden deshalb Stoffe, die diesen Prozess unterdrücken, sogenannte Angiogenese-Hemmer, in der Krebstherapie verwendet. Um dieses noch junge Forschungsgebiet voranzutreiben, hat ein Forscherteam um Professor Hellmut Augustin ein Verfahren entwickelt, mit dem sich ein komplexes menschliches Blutgefäßsystem in der Maus erzeugen lässt, das auch nach mehreren Monaten noch funktionsfähig ist.

Das Verfahren basiert auf der Beobachtung, dass sich isolierte Gefäßwandzellen, sogenannte Endothelzellen, in der Zellkultur spontan zu Aggregaten, Sphäroiden, zusammenlagern. „Einzelne, in Suspension schwimmende Gefäßwandzellen sind dazu verdammt zu sterben – der Zusammenschluss in den Sphäroiden stabilisiert sie“, sagt Hellmut Augustin. Den Wissenschaftlern Abdullah Alajati und Anna Laib ist es gelungen, die Sphäroide, eingebettet in eine Gelmatrix, unter die Haut von Mäusen zu spritzen und mittels Wachstumsfaktoren die Bildung eines Netzwerks menschlicher Blutgefäße anzuregen. Das Immunsystem der Mäuse war unterdrückt und daher unfähig, die körperfremden Zellen abzustoßen. „Die neu gebildeten Blutgefäße bestehen ausschließlich aus menschlichen Gefäßwandzellen“, erklärt die junge DKFZ-Forscherin Anna Laib. „An den Rändern der Matrix nehmen die menschlichen Gefäßwandzellen Kontakt zu denen der Maus auf. So wird das transplantierte menschliche Gefäßsystem an die Blutzirkulation der Maus angeschlossen.“

Das Verfahren bietet experimentellen Freiraum und kann Antworten auf verschiedene Fragen der gefäßbiologischen Forschung liefern: Die Wissenschaftler können die Gefäßwandzellen vor der Transplantation genetisch manipulieren, um die Bildung der Gefäßnetze zu untersuchen. Außerdem ist es möglich, die Wirkung pharmakologischer Substanzen zu prüfen – die an der Studie beteiligte Freiburger ProQinase GmbH führt solche Versuche bereits durch. „Selbst für die Herstellung künstlicher Gewebe ist die Methode interessant“, sagt Hellmut Augustin, „denn beim Einsatz künstlicher Ersatzgewebe ist es bisher schwierig gewesen, ein funktionierendes Blutgefäßsystem herzustellen, das die Gewebekonstrukte ausreichend versorgt.“

Abdullah Alajati, Anna M Laib, Holger Weber, Anja M Boos, Arne Bartol, Kristian Ikenberg, Thomas Korff, Hanswalter Zentgraf, Cynthia Obodozie, RalphGraeser, Sven Christian, Günter Finkenzeller, G Björn Stark, Mélanie Héroult & Hellmut G Augustin: Spheroid-based engineering of a human vascula¬ture in mice. Nature Methods, April 2008, DOI: 10.1038/nmeth.1198

Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat die Aufgabe, die Mechanismen der Krebsentstehung systematisch zu untersuchen und Krebsrisikofaktoren zu erfassen. Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung sollen zu neuen Ansätzen in Vorbeugung, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen führen. Das Zentrum wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bil¬dung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V.

Dr. Stefanie Seltmann
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