MDC-Forscher rekonstruieren springendes Gen

In Pflanzen, Tieren und auch im Menschen sind sie zu finden – inaktive Überreste springender Gene, sogenannte Transposons. Forscher versuchen aus diesen Resten aktive Transposons zu entwickeln, um mit diesen Werkzeugen die Funktion von Genen zu entschlüsseln. Jetzt ist es Forschern am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch gelungen, das erste aktive Transposon der Familie der Harbinger-Transposons (Harbinger – engl. für Vorbote) zu konstruieren. Das künstliche Transposon von Dr. Ludivine Sinzelle, Dr. Zsuzsanna Izsvák und Dr. Zoltán Ivics ist im Zelllabor auch in menschlichen Zellen aktiv und kann, so hoffen die Forscher, Aufschluss über die Rolle menschlicher Gene geben. Ihre Ergebnisse sind jetzt online im den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)* (10.1073/pnas.0707746105) veröffentlicht worden.

Transposons machen rund die Hälfte des menschlichen Genoms aus. „Sie sind molekulare Parasiten, ähnlich wie Flöhe, nur dass sie im Genom des Wirtes und nicht auf dessen Rücken zu finden sind“, erklärt Dr. Zoltán Ivics. Sie springen, bewegen und vermehren sich durch den Wirt. Ohne ihn können sie nicht überleben. In den meisten Fällen erfüllen Transposons keine Funktion im menschlichen Genom. Doch nicht alle sind überflüssig. „Ungefähr hundert aktive Gene, darunter einige des Immunsystem, lassen sich auf Transposons zurückführen“, führt Dr. Ivics weiter aus.

Um ein aktives Transposon zu konstruieren, verglich das Team von Dr. Ivics die DNA verschiedener, inaktiver Überreste der Harbinger-Transposons, einer der größten Familien von Transposons, und entwickelten aus ihren Ergebnissen ein künstliches, springendes Gen. „Wir hatten sehr viel Glück“, so Dr. Ivics, „gleich der erste Versuch war erfolgreich.“

Neues Werkzeug für die Grundlagenforschung
Im Zelllabor schleusten die MDC-Forscher das Transposon durch ein Genshuttle in menschliche Zellen. Dort schneidet sich das künstliche Transposon selbstständig aus seinem Transportvehikel aus und baut sich in das Genom der Zelle ein. Springt das Transposon dabei in ein wichtiges Gen und deaktiviert es, ist es möglich, dass wichtige Abläufe in der Zelle gestört sind. Daraus können die Forscher auf die Funktion des Gens schließen.

Aber auch neue Gene sind im Laufe der Evolution durch Transposons entstanden. So hat die Forschungsgruppe von Dr. Ivics zwei neue Verwandte des Harbinger-Transposons durch computergestützte Genanalysen entdeckt. Welche Rolle diese Gene im menschlichen Körper spielen, will Dr. Ivics jetzt in einem neuen Projekt untersuchen.

Langfristig hoffen die Wissenschaftler solche Transposons auch in der Gentherapie einsetzen zu können. Eine intakte Kopie eines Gens könnte mit Hilfe des Transposons in das Genom eines Patienten integriert werden, um so einen Gendefekt beheben. „Doch bis dies möglich ist, müssen wir noch viel tun“, gibt Dr. Ivics zu bedenken. „Das neue Gen soll ja nicht irgendwo hinspringen.“

*Transposition of a Reconstructed Harbinger Element in Human Cells and Functional Homology with Two Transposon-derived Cellular Genes

Ludivine Sinzelle1, Vladimir V. Kapitonov,2, Dawid P. Grzela1, Tobias Jursch1, Jerzy Jurka2, Zsuzsanna Izsvák1,3 and Zoltán Ivics1

1Max-Delbrueck-Center For Molecular Medicine, Berlin, Germany;
2Genetic Information Research Institute, Mountain View, California, USA
3Institut of Biochemistry, Biological Research Center of the Hungarian Academy of Sciences, Szeged, Hungary
Barbara Bachtler
Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
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