Keine bakterielle Infektionskrankheit fordert weltweit mehr Todesopfer als die Tuberkulose. Und doch stirbt nicht jeder Mensch, der das Mycobacterium tuberculosis in sich trägt. Der Erreger überdauert manchmal jahrelang in einem Zustand niedriger Aktivität, ohne dass es zum Ausbruch der Krankheit kommt. Welche Genmutation diesen Zustand beeinflusst, haben nun Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie herausgefunden. Demnach sind Tuberkulose-Bakterien harmlos, wenn sie eine defekte Form des Gens PhoP besitzen. (Cell Host & Microbe, 15. Februar 2008)
Makrophage bei der Aufnahme von Tuberkukelbazillen (rot). Bild: Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie/Volker Brinkmann
Tuberkulose, an der auch in Deutschland jedes Jahr mehrere Tausend Menschen erkranken, ist manchmal ein schlummernder Drache. Über 100.000 Menschen stecken sich weltweit täglich mit dem Mycobacterium tuberculosis an, aber nicht bei allen löst der Erreger sofort die Krankheit aus. In einem Zustand niedriger Aktivität, eingesperrt in eine Kapsel, die der Wirtsorganismus zum Schutz gebildet hat, überdauert er, ohne sich zu vermehren. Sogar nach zehn oder zwanzig Jahren kann er erwachen und Tuberkulose herbeiführen. Zum Beispiel, wenn schlechte Ernährung oder eine zusätzliche Krankheit das Immunsystem seines Wirts schwächen. Wie reguliert der Erreger seinen Schlummerzustand und sein Erwachen? Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin haben jetzt ein Gen gefunden, das dabei eine wichtige Rolle spielt.
Bei ihrer Studie haben sich die Forscher der Vielfalt der belebten Natur bedient. M. tuberculosis kommt in zahlreichen Varianten vor: Der Stamm H37Rv zum Beispiel löst Tuberkulose aus. Der Stamm H37Ra hingegen ist harmlos. Er vermehrt sich nicht in seinen Wirtszellen und sein Stoffwechsel verharrt in einem dauerhaften Ruhezustand. Für Wissenschaftler ist dieser Stamm daher ein Modell für die Schlafphase während einer latenten Tuberkuloseinfektion.
"Dem unterschiedlichen Verhalten der zwei Stämme liegen winzige genetische Unterschiede zu Grunde", sagt Stefan Kaufmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. Er und seine Kollegen haben die Gene der beiden Erreger-Varianten Basenpaar für Basenpaar verglichen - und beim harmlosen H37Ra-Stamm unter anderem eine Punktmutation in dem Gen gefunden, das für das Protein PhoP kodiert. Und genau diese Mutation trägt dazu bei, dass H37Ra keine Krankheit auslöst. Das konnten die Wissenschaftler in zwei darauf folgenden Experimenten zeigen.
So fügten sie zunächst die intakte Form des PhoP-Gens in das Genom des harmlosen Erregers ein, der daraufhin aus seinem Schlummer erwachte. Er begann sich zu teilen und sich in den Wirtszellen zu vermehren. "Ein intaktes PhoP ist also offenbar notwendig, damit das Bakterium die Schwindsucht auslösen kann", sagt Kaufmann. Doch auf welche Weise fördert der Gen-Defekt den Schlafzustand? Die Forscher wussten bereits aus Studien anderer Gruppen, dass PhoP ein Transkriptionsfaktor ist. Er bindet normalerweise an die DNA und steuert so die Aktivität anderer Gene und natürlich der dazugehörigen Proteine. Bei der mutierten Form aber war genau diese Funktion gestört.
Um die Frage zu beantworten, welche Zielgene davon betroffen sind, verglichen die Immunologen die zwei Stämme miteinander. Sie prüften, welche Gene beim harmlosen Stamm übermäßig häufig oder übermäßig selten abgelesen werden. Dabei stießen die Forscher auf eine erhöhte Menge von Genabschriften (in Form von Boten- bzw. mRNA) des sogenannten Dormanz-Regulons. Diese Gruppe von Genen kodiert für Proteine, die den Ruhezustand eines Tuberkulose-Bakteriums einleiten und aufrechterhalten. Die Mutation im Gen PhoP führt offenbar dazu, dass die Menge dieser Proteine sich erhöht.
[MN/CB]
Originalveröffentlichung:
Jong Seok Lee, Roland Krause, Jörg Schreiber, Hans-Joachim Mollenkopf, Jane Kowall, Robert Stein, Bo-Young Jeon, Jeong-Yeon Kwak, Min-Kyong Song, Juan Pablo Patron, Sabine Jorg, Kyoungmin Roh, Sang-Nae Cho, Stefan H. E. KaufmannCell Host&Microbes.3(2):97 (2008)
Dr. Bernd Wirsing | Max-Planck-Gesellschaft
Weitere Informationen:
http://www.mpg.de
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