Arrest in der Krebszelle

Den Tumorzellen sichert hierbei ein kleines Molekül namens Survivin ihr Überleben. Einerseits hilft es, dem programmierten Zelltod zu entkommen, zum anderen geleitet es auch entartete Zellen sicher durch die Teilung.

Der Arbeitsgruppe um dem Mainzer Biologen Roland Stauber gelang es, einen zugrundeliegenden Mechanismus aufzuklären: Survivin bindet an einen Rezeptor, der es vom Zellkern in das Zytoplasma schleust, und es zu Beginn der Zellteilung an die Chromosomen bringt. Dies zu verhindern ist nun das Ziel eines neuartigen krebstherapeutischen Ansatzes, in welchem kleine Moleküle die Wanderung von Survivin in der Krebszelle unterbinden sollen. Unterstützt wird diese Forschungsarbeit von der Wilhelm Sander-Stiftung.

Die Tatsache, dass Tumorzellen Resistenzmechanismen zum Schutz gegen Krebstherapien entwickeln, ist sozusagen schon ein alter Hut. Auch eines der Schlüsselproteine, welches entscheidend an diesen Prozessen beteiligt ist, 'Survivin' – abgeleitet vom englischen 'to survive' (überleben) – feierte unlängst bereits seinen 10. Geburtstag. Survivin scheint dabei von den Tumorzellen als eine Art „Generalschlüssel“ missbraucht zu werden, um sich gegen jene Mechanismen zu schützen, die in geschädigten Zellen den programmierten Zelltod (die Apoptose) auslösen.

Neu ist jedoch die Erkenntnis, dass „dies dem Molekül besonders gut gelingt, wenn es sich im Zytoplasma der Zelle befindet – im Inneren des Zellkerns kann es scheinbar nicht so wirkungsvoll agieren“, erläutert Roland Stauber. Ihm und seiner Arbeitsgruppe am Mainzer Universitätsklinikum gelang es somit, ein wenig mehr Licht ins Dunkel des Survivin'schen Wirkmechanismus zu bringen. Damit Survivin seine Doppelfunktion ausüben kann, dockt es an einen Rezeptor namens Exportin-1 an. Dieser sitzt normalerweise in der Kernmembran und sorgt für das Ausschleusen verschiedener Proteine in das Zytoplasma der Zelle.

Während der Zellteilung wandert dieser Rezeptor jedoch kurzeitig an die Chromosomen – und mit ihm Survivin. „Dort überwacht es gemeinsam mit drei anderen Proteinen als sogenannter 'Chromosomaler Passenger Complex' die korrekte Aufteilung und Weitergabe des Erbguts an die Tochterzellen. Krebszellen scheinen diesen Mechanismus jedoch zu missbrauchen, um ihre geschädigten und veränderten Chromosomen sicher durch die Zellteilung zu geleiten“, so Stauber.

Die Erkenntnis, dass Survivin im Zellkern tatsächlich weniger effektiv zu sein scheint, konnte bereits anhand klinischer Daten bestätigt werden: Patienten, in deren Tumoren Survivin zu größeren Mengen im Zellkern nachweisbar war, hatten in der Tat deutlich bessere Überlebenschancen als Patienten mit Survivin im Zytoplasma. Deshalb will Arbeitsgruppe nun versuchen, dieses kleine Eiweiß durch therapeutisch wirksame Substanzen vom Zytoplasma in den Zellkern zu zwingen, um so die Überlebenschancen der Krebspatienten zu erhöhen.

„Da Survivin aufgrund seiner dualen tumorfördernden Rolle zugleich zwei verschiedene Angriffspunkte bietet, könnte die gerichtete Hemmung des Kernexports von Survivin nicht nur die Resistenzbildung sondern auch die Wachstumsrate von Krebszellen hemmen“, so der Biologe. Substanzen, welche den Durchgang durch die Zellmembran komplett blockieren, sind zwar bereits bekannt, jedoch therapeutisch nicht nutzbar, da sie äußerst toxisch auf alle Zellen wirken. Daher will die Mainzer Gruppe in Zusammenarbeit mit dem Berliner Zentrum für Molekulare Pharmakologie nach einem selektiven Schlüssel suchen. Also nach einer Substanz, die möglichst nur dem Survivin-Protein den Weg durch die Zellmembran versperrt, so dass diesem der Weg an den Ort seiner Aktivität, dem Zytoplasma, verwehrt wird.

Mit Hilfe selbst entwickelter zell-basierter Testsysteme wollen die Forscher umfangreiche chemische Substanzsammlungen durchforsten. Werden sie fündig, müssen die neuen Wirkstoffe zuerst ihre Wirksamkeit unter verschiedenen experimentellen Bedingungen im Labor unter Beweis stellen. Falls die Substanzen tatsächlich in der Lage sind, selektiv das Wachstum und das Überleben der Tumorzellen zu inhibieren, könnte dies die vielversprechende Grundlage für vorklinischen Studien sein, und damit zur Etablierung neuer Therapieoptionen für Krebspatienten führen.

Kontakt: Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Roland H. Stauber, Mainz
Tel.: +49 (6131) 17-7002, E-Mail: rstauber@uni-mainz.de, Web: www.stauber-lab.de
Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit über 150.000 €. Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 160 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Media Contact

Bernhard Knappe idw

Weitere Informationen:

http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

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