Bengamide: Potenzielle Krebsmittel verfügbar

Das Bakterium Mycococcus virescens ist eine neu entdeckte Quelle für Bengamid-Wirkstoffe, gegen die es selbst resistent ist. (c) Wiley-VCH

Hilfe kommt aus der Erde: Ein terrestrisches Myxobakterium haben Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums jetzt als aussichtsreiche Quelle für die ursprünglich aus marinen Schwämmen isolierten Bengamid-Wirkstoffe identifiziert.

Wie die Wissenschaftler in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, bieten die nun neu zugänglichen Bengamid-Derivate ein großes Potenzial als Krebstherapeutika und vielleicht als Wirkstoff gegen Fettleibigkeit.

Bodenbakterien gelten als reiche Fundgrube an potenziellen cytotoxischen Substanzen, und manchmal bieten sie auch Unerwartetes: Die seit den 1980er Jahren bekannten Bengamide, eine antiproliferative Wirkstoffklasse aus einem marinen Schwamm, werden auch von terrestrischen Myxobakterien produziert.

Unter der Federführung von Rolf Müller und Mark Brönstrup am Helmholtz-Zentrum in Saarbrücken und Braunschweig sowie bei Sanofi in Frankfurt und Paris wurde jetzt nicht nur die Biosynthese der Bengamide im Myxobakterium gründlich erforscht, sondern es wurden auch synthetische und halbsynthetische Derivate des Bengamids auf ihre pharmakokinetischen Eigenschaften hin abgeklopft.

Der Schlüssel liegt in der Fermentation: „Durch den fermentativen Zugang zu dieser 'marinen' Substanzklasse im Gramm-Maßstab haben wir Studien zur Bengamid-Biosynthese, heterologen Expression und Selbstresistenz des Produzenten durchgeführt sowie die Eigenschaften als Leitstrukturen über Semi- und Totalsynthese optimiert“, erläutern die Autoren.

Die Bengamide sind Inhibitoren der humanen Methionin-Aminopeptidasen (MetAPs). Eine einzelne Aminosäure, die in den bakteriellen MetAPs gegenüber den humanen ausgetauscht ist, macht die Bakterien eigenresistent gegen Bengamid, haben die Wissenschaftler bei der Untersuchung des Biosynthesewegs herausgefunden. Weil die natürlichen Bengamid-Derivate des Myxobakteriums relativ schnell mikrosomal abgebaut wurden, vermittelten die Wissenschaftler den Substanzen Stabilität durch gezielte Veränderung am Gerüst.

„Ein semisynthetischer Zugang zu solchen Analoga ist über Kombination einer mikrobiell produzierten Polyketidkette mit einem synthetischen Caprolactam denkbar“, schreiben die Autoren, und obwohl sie hier eine Totalsynthese wählten, um die Wirksamkeit und Stabilität der Bengamide zu erhöhen, empfehlen die Wissenschaftler, künftig Gentechnik und Synthese zu kombinieren, um optimierte Bengamide konstengünstig zu produzieren.

Eine weitere interessante Indikation ergibt sich, so die Autoren, aus Studien, dass MetAP-Inhibition den Fettabbau ankurbelt und somit Körperfett reduzieren hilft. Mit den neuen gentechnischen Möglichkeiten, die die Autoren in ihrer Arbeit beschreiben, bilden die Bengamide, ursprünglich nur marinen Organismen zugeordnet, nun eine Leitstruktur, die sich biotechnologisch produzieren und modifizieren lässt.

Angewandte Chemie: Presseinfo 43/2015

Autor: Mark Broenstrup, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH (Germany), http://www.helmholtz-hzi.de/en/research/research_topics/anti_infectives/chemical…

Permalink to the original article: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201508277

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.

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