Bakterien als Ökosystem-Ingenieure

In der August-Ausgabe der Zeitschrift Nature Geoscience veröffentlichen Bremer Wissenschaftler des MARUM, Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen, zusammen mit Kollegen des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie und der Universität Stockholm eine Studie zur Rolle von Bakterien im Meeresboden. Erstmalig gelang der Nachweis, dass Bakterien eine Schlüsselrolle bei der Bildung von phosphorhaltigen Mineralien im Meeresboden zukommt und sie somit den Kreislauf dieses wichtigen Nährstoffs im Meer entscheidend beeinflussen.

Im Meerwasser kommt das Element Phosphor als Phosphat vor. Es wird durch Flüsse oder gebunden an Staubpartikel in die Ozeane eingetragen und diesen durch die Bildung phosphorhaltiger Minerale im Meeresgrund wieder entzogen Dass bestimmte Schwefelbakterien den Prozess der Mineralbildung antreiben und verstärken, vermutete vor einigen Jahren schon die Bremer Biologin Dr. Heide Schulz-Vogt. Diese Annahme konnte nun ein Team um MARUM-Wissenschaftler Dr. Tobias Goldhammer experimentell beweisen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature Geoscience.

Mit ihren Versuchen konnten Goldhammer und Kollegen aufdecken, dass Schwefelbakterien, die in den oberen Zentimetern des Meeresbodens leben, mehr Phosphat aufnehmen als sie eigentlich benötigen. Für die Untersuchungen verwendeten sie Sedimentproben aus einem Gebiet vor der namibischen Küste, das durch seinen hohen Nährstoffgehalt als eines der produktivsten Meeresgebiete der Welt gilt. „In diesen Auftriebsgebieten wird extrem viel organisches Material gebildet, das zum Meeresboden absinkt und von Bakterien zersetzt wird. Dabei verbrauchen sie soviel Sauerstoff, dass die Wasserschicht direkt über dem Meeresboden zeitweise sauerstofffrei ist“, erläutert Projektleiter Matthias Zabel, ebenfalls vom Bremer MARUM. Um für diese sauerstoffarmen Zeiten vorzusorgen, speichern die Bakterien Energie, indem sie lange, phosphorhaltige Molekülketten herstellen. Wenn sie das Phosphat wieder von den Ketten abspalten, wird die gespeicherte Energie freigesetzt. Das abgespaltene Phosphat geben die Bakterien an das Sediment ab, wo es mit Kalzium das Mineral Apatit bildet. „Durch die Verwendung von radioaktiv markierten Phosphatmolekülen haben wir diese Stoffwechselpfade sichtbar gemacht“, beschreibt Timothy Ferdelman den am Max-Planck Institut durchgeführten Nachweis. „Es ist faszinierend zu sehen, dass kleinste Organismen wie Bakterien eine so zentrale Rolle in den globalen Stoffkreisläufen spielen. Die Schwefelbakterien wirken als ´Ökosystem-Ingenieure´, indem sie dem System Phosphat in großen Mengen entziehen und es so in Balance halten“, so Tobias Goldhammer.

Phosphor ist ein wichtiger Nährstoff für alle Lebewesen. Phosphorverbindungen spielen eine entscheidende Rolle beim Aufbau von Zellen sowie beim Informations- und Energietransfer innerhalb einer Zelle. Ein Mangel an Phosphor in einem Ökosystem kann somit Wachstum und Vorkommen der Organismen begrenzen. Aber auch ein Phosphorüberschuss kann das Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen. Wird Phosphat aus Düngemitteln in Gewässern angereichert, kann dies zur sogenannten Eutrophierung führen, wie es beispielsweise derzeit anhand des explosiven Algenwachstums in der Ostsee beobachtet werden kann. „Es ist möglich, dass wir hier einen wichtigen, natürlichen Rückkopplungsmechanismus erkannt haben, der die Eutrophierung mariner Küstengewässer verhindern könnte“, ergänzt Volker Brüchert, Professor für Biogeochemie an der Universität Stockholm.

Nach ihrer Entdeckung wollen die Autoren der Studie nun herausfinden, welche Prozesse genau in der Bakterienzelle ablaufen und ob dieser bakteriell angetriebene Mechanismus auch in anderen Meeresgebieten stattfindet.

Media Contact

Albert Gerdes idw

Weitere Informationen:

http://www.marum.de

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