Bakterien machen Perlenketten

Elektronenmikroskopische Aufnahme einer langen Perlenkette an einem Flavobakterium. Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie / Tanja Fischer

Erstmals konnten WissenschaftlerInnen in Bremen Bakterien bei der Bildung von Perlenketten, die von der Zelloberfläche abstehen, beobachten. Diese Perlenketten dienen dazu, Stoffe aus der Umgebung besser aufnehmen und speichern zu können. Ihre Ergebnisse stellen die ForscherInnen nun in der Fachzeitschrift Applied and Environmental Microbiology vor.

Bakterien haben keinen Mund. Sie essen, indem sie Stoffe aus ihrer Umwelt über die Zellwand aufnehmen. Dieser Aufnahme sind aber natürliche physikalische Grenzen gesetzt. Um diese Grenzen zu umgehen, vergrößern manche Bakterien ihre Zelloberfläche.

Sie bilden beispielsweise schlauchartige Fortsätze oder kleine Bläschen. Eine ForscherInnengruppe um Jens Harder vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen hat nun erstmals beobachtet, dass Bakterien zunächst Schläuche und anschließend Bläschen bilden.

Nordseebakterien mit Perlenketten

„Wir haben uns mit einem in der Nordsee weit verbreiteten Flavobakterium beschäftigt“, so Harder. Diese Bakterien leben in einer nährstoffarmen Umgebung, die oligotroph genannt wird. Daher ist es für die Organismen von Vorteil, wenn sie ihre Zelloberfläche vergrößern und dadurch mehr Platz haben, um mit Enzymen auf der Oberfläche Zucker und andere Nahrung festzuhalten und aufzunehmen.

„Bakterien, die dazu Bläschen oder Schläuche haben, hatte man schon beobachtet“, fährt Harder fort. „Die hier untersuchten Flavobakterien haben beides nacheinander: Zunächst konnten wir Schläuche sehen, anschließend regelrechte Perlenketten. Die Perlenbildung kommt wahrscheinlich von einer Verdrehung der Fettsäuremoleküle in der Zellwand.“

Ökologisch erfolgreiche Strategie

Die hier untersuchten Flavobakterien finden sich zahlreich in den sogenannten Bakterienblüten, die nach den alljährlichen Algen-Frühjahrsblüten in der Nordsee auftreten. Sie besitzen eine besondere Garnitur an Enzymen um Laminarin, den Zuckerspeicher der Algen, zu nutzen.

Harder und seine KollegInnen fütterten die Bakterien mit gefärbtem Laminarin, um zu prüfen, ob es einen Austausch zwischen den Perlenketten und der „Hauptzelle“ gibt. Und tatsächlich tauchte der Farbstoff auch in den Perlenketten auf.

„Wir vermuten, dass Enzyme an der Oberfläche der Perlenketten den Laminarin-Zucker einfangen, festhalten und zerkleinern und sie anschließend an die Zelle liefern“, erklärt Harder. Es scheint sich zu lohnen. „Das massenhafte Auftreten der Flavobakterien nach Algenblüten zeigt deren ökologischen Erfolg.“

Prof. Dr. Jens Harder
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
Telefon: +49 421 2028-702
E-Mail: jharder@mpi-bremen.de

Dr. Fanni Aspetsberger
Pressesprecherin
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
Telefon: +49 421 2028-947
E-Mail: faspetsb@mpi-bremen.de

Tanja Fischer, Martin Schorb, Greta Reintjes, Androniki Kolovou, Rachel Santarella-Mellwig, Stephanie Markert, Erhard Rhiel, Sten Littmann, Dörte Becher, Thomas Schweder, Jens Harder: Biopearling of interconnected outer membrane vesicle chains by a marine flavobacterium. Applied and Environmental Microbiology. DOI: 10.1128/AEM.00829-19

https://www.mpi-bremen.de/Page3906.html

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Dr. Fanni Aspetsberger Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

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