Das Auge brütet mit – auch Vogelweibchen sind empfänglich für sexy Anblicke

Das schlussfolgern Wissenschaftler aus einem Brutexperiment mit Kragentrappen, einer nordafrikanischen Vogelart mit ausgeprägtem Balzverhalten. Weibchen, die bei dem Experiment attraktiven Männchen bei der Parade zusahen, waren fruchtbarer, hatten größeren Bruterfolg und investierten mehr Testosteron in ihre Eier, was zu einem schnelleren Wachstum des Nachwuchses führte.

Die Ergebnisse zeigten, dass sich Nachzuchten per künstlicher Befruchtung ohne angemessene Stimulation der Weibchen negativ auf den Bruterfolg und damit das Überleben der Art auswirken können, schreiben Adeline Loyau und Frederic Lacroix jetzt in der Onlineausgabe des Fachblatts Proceedings of the Royal Society B.

Für das Experiment hatten die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Französischen CNRS-Station für Experimentale Ökologie 90 brütende Weibchen der Kragentrappe (Chlamydotis undulata undulata) unterschiedlichen Artgenossen gegenübergestellt. Je 30 Weibchen wurden im Emirates Center for Wildlife Propagation (ECWP) im Marokkanischen Missour visuell mit attraktiven Männchen, unattraktiven Männchen oder Weibchen konfrontiert. Bei dem Experiment wurden die untersuchten Weibchen künstlich befruchtet und einzeln in Volieren gehalten, die je fünf Meter von denen ihrer Artgenossen entfernt waren. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler ausschließen, dass andere Faktoren außer den optischen Reizen eine Rolle spielten. „Meines Wissens ist unsere Studie das erste Beispiel im Artenschutz für eine erfolgreiche Manipulation der mütterlichen Ressourcen durch sensorische Reize“, erläutert die Verhaltensbiologin Adeline Loyau vom UFZ. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, die Verteilung der Ressourcen der Weibchen unabhängig von der Qualität der männlichen Gene zu steuern.“ Männliche Balzsignale erzeugen ein effektives Signal und bieten damit Naturschützern ein einfaches und preiswertes Mittel. Die Ergebnisse könnten also auch große Bedeutung für Nachzuchtprogramme von anderen bedrohten Vogelarten haben.

Die Kragentrappe ist ein sandfarbener Wüstenvogel, der von Nordafrika bis zur Mongolei verbreitet ist. In der Arabischen Welt ist die Vogelart als Beute für die Falken-Jagd beliebt. Die Jagd und der Verlust an Lebensräumen haben dafür gesorgt, dass die Populationen der Kragentrappe stark zurückgegangen sind. Inzwischen wird die Art als gefährdet eingestuft und in Artenschutzprogrammen gezüchtet, um die natürlichen Populationen zu unterstützen. Dazu wurde im Marokkanischen Missour das Emirates Center for Wildlife Propagation (ECWP) vom damaligen Emir Abu Dhabis, Scheich Zayid bin Sultan Al Nahyan, gegründet.

Bereits 2007 hatten Forscher um Adeline Loyau gezeigt, dass Weibchen des Blauen Pfaus (Pavo cristatus), die sich mit attraktiven Männchen gepaart hatten, mehr Ressourcen in ihre Eier investierten als Weibchen, die sich mit unattraktiven Männchen paarten. Bei attraktiven Partnern legten sie größere Eier und erhöhten den Testosterongehalt im Eigelb, was einen direkten Einfluss auf die Entwicklung des Nachwuchses hat. Auch andere Forscher hatten zuvor gezeigt, dass verschiedene Faktoren wie die Qualität der Gene der Väter oder das Nahrungsangebot Einfluss auf die Vogelweibchen und deren Nachwuchs haben. Unter ungünstigen Bedingungen kann es effektiver sein, in den aktuellen Nachwuchs weniger zu investieren und es in der nächsten Saison wieder zu probieren. Mit den neuen Experimenten konnten Loyau und Lacroix nun zeigen, dass auch optische Reize Einfluss auf die Entwicklung des Nachwuchses haben können. Die Daten wurden von Loyau während ihres Gastaufhaltes am UFZ in den Laboren in Leipzig ausgewertet. Inzwischen arbeitet die französische Biologin in der Station für Experimentale Ökologie (SEEM) des französischen Forschungszentrums CNRS in Moulis in den Pyrenäen.

Die Vereinten Nationen haben 2010 zum Internationalen Jahr der Biologischen Vielfalt erklärt. Ziel ist es, dass Thema biologische Vielfalt mit seinen vielen Facetten stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Mit seiner Expertise trägt das UFZ dazu bei, die Folgen und Ursachen des Biodiversitätsverlustes zu erforschen sowie Handlungsoptionen zu entwickeln. Mehr dazu erfahren Sie unter:

http://www.ufz.de/index.php?de=16034 und http://www.ufz.de/data/ufz_spezial_april08_20080325_WEB8411.pdf

Die Biodiversitätsforschung in Deutschland ist auf zahlreiche Institutionen wie Hochschulen, außeruniversitäre Einrichtungen und Ressortforschung bis hin zu Naturschutzverbänden und Firmen verteilt. Das Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung, ein Projekt im Rahmen von DIVERSITAS-Deutschland, möchte der Forschungscommunity deshalb eine gemeinsame institutionsunabhängige Kommunikationsstruktur und -kultur anbieten. Mehr dazu erfahren Sie unter:

http://www.biodiversity.de/

Publikation:

Adeline Loyau and Frederic Lacroix (2010): Watching sexy displays improves hatching success and offspring growth through maternal allocation. Proceedings of the Royal Society B.
http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2010.0473
http://rspb.royalsocietypublishing.org/

Weitere fachliche Informationen:
Dr. Adeline Loyau
Station d'Ecologie Experimentale du CNRS
Tel. +33 5 61 04 03 73
http://www.ecoex-moulis.cnrs.fr/Staffpages/AdelineLoyau.htm
http://www.adeline-loyau.net/
und
PD Dr. Klaus Henle
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Tel. 0341-235-1270
http://www.ufz.de/index.php?de=1868
oder über
Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1635
E-mail: presse@ufz.de

Weiterführende Links:
Emirates Center for Wildlife Propagation:
http://www.ecwp.org/vo/houbara_bustard.php
International Foundation for Conservation and Development of Wildlife (IFCDW):
http://houbara.com/english/
Kragentrappe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kragentrappe
http://en.wikipedia.org/wiki/Houbara_Bustard
Mütter investieren mehr in den Nachwuchs, wenn der Partner attraktiv ist (Pressemitteilung vom 19. Juli 2007):

http://www.ufz.de/index.php?de=14687

International Year of Biodiversity 2010:
http://www.cbd.int/2010/welcome/

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

http://www.ufz.de/

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit fast 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 16 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).

http://www.helmholtz.de

Die Station d'Ecologie Experimentale in Moulis (SEEM) ist eine neu gegründete Forschungs-und Serviceabteilung des Centre Nationale de la Recherche Scientifique (CNRS). Die interdisziplinäre Forschungsgruppe vereint Populationsökologen, Verhaltensbiologen, Evolutionsbiologen und Genetiker, um alle Aspekte der Verbreitung von Tieren untersuchen zu können. SEEM kooperiert dabei mit verschiedenen Instituten in anderen europäischen Ländern und den USA. Die Station in der Region Ariége am Fuße der Pyrenäen wird zur Zeit ausgebaut und erhält dabei neue Labors und Versuchsbauten.

http://www.ecoex-moulis.cnrs.fr/

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Weitere Informationen:

http://www.ufz.de/index.php?de=19740

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